+ Absehbares Ende (Krimi) + Letzter Auftrag (SF) + EXPANSION (SF) + Der Ruf (Fantasy) + Ein ganz normaler Einkaufsbummel (Horror) + Grenzen, Opfer und Visionen... (Vampir)
Absehbares Ende Krimi von B.Tomm-Bub
``Ein absehbares Ende -sicherlich!``, dachte er und das seltsame, diffuse Gefühl stieg wieder aus der Magengrube in ihm auf. Seine Hände verkrampften sich leicht und unruhig starrte er hin und her. Vor wenigen Wochen war er beim Arzt gewesen. Er kannte sich mit Medikamenten ein wenig aus, von früher her, daher wußte er auch genug von etlichen Krankheiten und ihrer Diagnose. Aber eigentlich war es ganz unwichtig, so ging es ihm durch den Kopf, wie das verdammte Ding nun genau hieß, daß in ihm saß und ihn letzten Endes auffressen würde!
Der Tod würde kommen und ihn mitnehmen, nichts anderes war es, was ihn erwartete. Sicher, ja, er hatte gehört was der Medikus ihm gesagt hatte, ``Hoffnung gibt es immer ... verschiedene Therapien möglich ...`` und so weiter, bla, bla ... ``Ich weiß zuviel!``, dachte er -konnte aber über das reißerische dieses Gedankens verständlicherweise nicht einmal mehr lachen. Er selbst gab sich keine Chance mehr. Eigentlich war er ja ein kämpferischer, jedenfalls irgendwie zäher Charakter, aber in dieser Lage? Er hatte ganz einfach ein paar medizinische Bücher zuviel gelesen, so war das.
Nur noch kurze Zeit, dann würde das Siechtum beginnen, begleitet von den ``verschiedenen Therapien...`` (Ha!). Nein, das war es nicht, was er wollte. Lange hatte er gewartet, daß endlich einmal ein ``richtiger``, größerer Verlag seine Gedichte, seine Lyrik druckte und veröffentlichte. Kleine Verlage hatten, gegen ``Unkostenbeteiligung`` schon den einen oder anderen Text von ihm gebracht ja, auch in einer überregionalen Bäckereizeitung war schon einmal etwas von ``Wolfgang Werner`` erschienen, aber: was war das alles schon? Nichts.
Niemand hatte ihm wirklich zugehört, ihn verstanden, nein. Dabei war es keineswegs so, daß er sich für ein Genie hielt, oder einen ``begnadeten Dichterfürsten``, sicher nicht! Er war einfach der Meinung, daß Lieder und Geschichten und vor allem eben auch Gedichte den Menschen etwas geben konnten und etwas zu sagen hatten -und zwar allen Menschen. Sie mußten nur zuhören! Aber kaum noch jemand las dergleichen, woran bestimmte Verlage, die Werbung, eben der Kapitalismus nicht unschuldig waren, oh nein!
Und nun war da dieses Konzert. Der prächtige, nein: eher beeindruckend zu nennende, Dom des kleinen Städtchens Speyer gab die Kulisse für das große ``Open-Air-Ereignis``. Eine Andachtsstätte zwischen den grünen Hügeln von Pfälzerwald und Odenwald -so schwangen seine Gedanken einen Moment lang lyrisch aus, kehrten aber sogleich in die bittere Realität zurück. Es war gar nicht so einfach gewesen, die scharfe Waffe (eine Pistole) zu besorgen, die recht natürlich wirkende Handgranatenatrappe war da schon leichter beschaffbar gewesen. Wobei, so sinnierte er, die Beschaffung gar nicht einmal das Hauptproblem gewesen war, die finanzielle Seite hatte sich dafür aber etwas knifflig gestaltet. Er lebte nämlich seit einigen Jahren ein ziemlich ruhiges Leben, ganz im Gegensatz zu ``Früher``. Brav ging er seiner Arbeit nach, nicht ganz ohne einen gewissen Ehrgeiz, doch nicht fanatisch und für einen ganz annehmbaren Ehemann hielt er sich ebenfalls. So lief alles geregelt.
Er hatte noch zu niemandem etwas gesagt, auch nicht zu seiner Frau, die nun neben ihm saß. Bis zum letztmöglichen Moment wollte er sie nicht unnötig belasten, hatte sie doch genug eigene Probleme... Zum Beispiel fürchtete sie dauernd, sie habe irgendeine schlimme Krankheit. Welch` eine Ironie!, dachte er bitter. Sie hatte aber von den Geldausgaben nichts bemerkt, erst in neun Tagen war wieder ein Bankbesuch fällig, an dem der Fehlbetrag hätte auffallen können Nun ja, dies alles war nicht so einfach gewesen, doch nun saß er hier, wie achttausend andere Kulturliebhaber auch. Montserrat Caballe, die vielseitige Opernsängerin, würde begleitet von Orchester und ihrer Tochter, einen wahrhaftigen Kunstgenuß ermöglichen.
Es hatte geregnet ``wie aus Eimern``, anders konnte man die klimatischen Verhältnisse wirklich nicht mehr beschreiben, doch der Wettergott wollte es nur ein wenig spannend machen: 10 Minuten vor Beginn der Veranstaltung riß der Himmel auf und seit einer Stunde (gleich würde die Pause beginnen) war es vollkommen trocken und auch die Temperaturen ließen sich so gerade eben ertragen. Es war bislang ein herrliches Konzert gewesen, doch damit konnte er sich innerlich nicht mehr so recht befassen. Er dachte über einiges nach, so über seinen Bruder Michael, der nun schon zum zweiten Male in einer Langzeittherapie war. Der Alkohol und anderes hatten ihn ziemlich fertig gemacht. Sie hatten ja kaum Kontakt zu ihm, er wohnte ja auch weit weg.... Doch- er würde dem, was er vorhatte nicht nur Negatives abgewinnen können, da war er sicher! Nur das Ende, das war halt leider absehbar.
Ein wenig schuldbewußt war er durchaus, denn seine Frau würde er nun gleich maßlos schockieren. Das tat ihm leid, aber er konnte es nicht ändern! Auch bedauerte er natürlich, daß die vielen Menschen jetzt nur ein halbes Konzert der wunderbaren Caballe erleben konnten. Aber dafür würde er ihnen etwas ebenso spannendes bieten können und zwar -wie er zumindest hoffte- etwas von annähernd derselben künstlerischen Qualität. Da war die Pause! Halblaut verkündete er, leider einmal austreten zu müssen, nickte seiner Frau noch einmal kurz zu und strebte dann zunächst tatsächlich in Richtung der links neben der Bühne gelegenen Toilettenhäuschen. An einigen Security-Leuten (es stand wahrhaftig ``Security`` auf den Jacken der meist hübschen jungen Mädchen, die hier die Programme verkauften!) und vielen anderen Menschen zwängte er sich zunächst vorbei, bis er schließlich fast den Bühnenrand erreicht hatte.
Was darauf folgte, war einige Tage hindurch die Meldung des Tages in den regionalen Zeitungen und -kurzfristig- auch in den überregionalen. Allgemein machte das Wort vom ``Drama am Dom`` die Runde.
Das las sich dann zum Beispiel so:
``Speyer. Am Samstag, den 7. Mai spielten sich gegen 21 Uhr dramatische Szenen ab. Vor der Kulisse des Speyerer Domes wurde zu diesem Zeitpunkt ein Konzert der Sängerin Caballe gegeben. Am Ende der Pause erkletterte ein offenbar geistesgestörter Mann die Bühne. Da er mit einer Maschinenpistole und einer Bombe bewaffnet war, sich im übrigen aber ``dezent und höflich``, wie es hieß, verhielt, geriet das Publikum glücklicherweise nicht in Panik.
Der Geistesgestörte, Wolfgang W., aus Ludwigshafen, verlas dann eine Erklärung und trug einige Dutzend Gedichte vor, wobei er die Waffe stets im Anschlag, wohl auf den Pianisten, hielt. Da sein Tun etliche Zeit in Anspruch nahm, gelang es der Polizei Scharfschützen im Erkerfenster eines angrenzenden Hauses zu postieren. Hauptmeister Fender gelang dann der rettende, für den Attentäter allerdings tödliche, Schuß. Nach unbestätigten Berichten soll Wolfgang W., diese Identität ermittelte später die Kriminalpolizei, seinen Vortrag zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits beendet haben. Eine Augenzeugin berichtete sogar, er habe ``sehr diskret`` die Waffe an die Sängerin Montserrat Caballe ausgehändigt und sich bei dieser entschuldigt. Ob zu diesem Zeitpunkt weiterhin die Gefahr bestand, das der geistig verwirrte Mann doch noch die Bombe zünden könnte, ist unbekannt.``
Diesem sehr exakten Bericht ist sicher nichts hinzuzufügen. Doch, vielleicht das:
Der, bei dem Konzert übrigens anwesende, Reporter Hermann Loskill hatte diese Reportage gleich ``vor Ort`` verfaßt. Dies keine schlechte Leistung, da er doch fast die gesamte Zeit im Hintergrund am Weinstand verbracht hatte. Ein wenig länger war sein Bericht gewesen. Er hatte am Schluß noch eine andere Augenzeugin zitiert, die ausgesagt hatte, die Gedichte seien ``sehr schön, teils lyrisch, teils lehrreich`` gewesen, trotz alledem!
Wie schon von Loskill geahnt, hatte es aber wieder ein ziemlich hohes Anzeigenaufkommen gegeben. Zeitungsberichte werden von``hinten nach vorne`` zusammengestrichen. Tja, dachte er, daß war absehbar!
-ENDE-
Letzter Auftrag SF-Story v. Buk Tomm
Auf dem Weg zum Chief-Commander überlegte Kathy, worum es sich wohl diesmal handeln würde. Einige Aufträge in letzter Zeit waren recht schmutzige Arbeit gewesen. Einige Male hatte sie mit dem Gedanken gespielt einfach alles hinzuwerfen, was bei ihrem Job aber nicht so einfach war. "Kathy Bagnell, ich freue mich, Sie wiederzusehen", begrüßte McLaren sie, "ich hoffe, sie haben sich nach dem letzten Einsatz gut erholt!" "Setzen Sie sich bitte." Er wurde übergangslos dienstlicher. "Ich muß Sie bereits morgen mit einem neuen Auftrag betrauen. Sie gehen direkt nach Burlon, einer der Hauptwelten unserer Feinde." "Nun," er lächelte maliziös, "Feinde darf man ja eigentlich nicht sagen, schließlich hat es noch keine offizielle Kriegserklärung gegeben."
"Es handelt sich in Kurzform um folgendes:" fuhr er fort, "Unser Gegner entdeckte vor einiger Zeit einen starken Telepathen und Suggestor in seinen Reihen. Dieser Mann liest bereits jetzt in fast jedermanns Gedanken wie in einem Buch. Was jedoch ernster ist: Seine Fähigkeit, anderen seinen Willen aufzuzwingen, schlägt jetzt schon alles Dagewesene." "Dieser Mann befindet sich in einem Trainingscamp auf Burlon nehme ich an?", warf Kathy ein. "Nein," sagte McLaren "und das ist unsere Chance! Die Person ist ein hochqualifizierter Wissenschaftler, fast als Sonderling bekannt. ER besteht darauf, seinen Forschungsauftrag solange wie möglich nachzugehen, und sein hypno-telepathisches Talent sozusagen in aller Stille weiter zu entwickeln. Natürlich wird er aber überwacht." "Ich verstehe langsam," bemerkte Kathy bitter, "mich haben Sie also als Attentäter ausersehen, nicht wahr, McLaren?"
"Nein, nein, ganz so ist es nicht", beschwichtigte dieser sie "wir besitzen seit kurzer Zeit ein Gerät, welches für Normalmenschen tödlich wäre.
Parapsychisch begabte Menschen werden nur betäubt und ihr Psisektor im Gehirn wird quasi ausgebrannt!" Er lächelte, "Ihre Abneigung gegen, sagen wir, Beseitigung ist mir bekannt." "Allerdings können sich nur wenige meiner Untergebenen solche Allüren leisten." fügte er schärfer hinzu, "Auch Sie können dies nur aufgrund sonst hohen Qualifikationen. Aber so wie ich den Auftrag formuliere - zum Esper vordringen und Beseitigung seiner Fähigkeiten, dürfte es selbst Ihnen ja human genug sein!"
Kathy stand auf und salutierte. "Die Einzelheiten werden mir auf dem üblichen Weg mitgeteilt, nehme ich an?" "Jawohl, Agentin Bagnell. Und viel Erfolg.", verabschiedete McLaren sie.
***
Soweit war alles gutgegangen. Kathy hatte mit ihrem miniaturisiertem Psi-Löscher und in guter Tarnung alle Kontrollen und bürokratischen Hindernisse überwunden. Sie befand sich nicht nur auf Burlon, sondern nur noch wenige Straßenzüge von Al Rangin, ihrem Opfer, entfernt. Was sie jetzt aber sah war gleichzeitig ein absoluter Zufall (ein wie großer würde sie erst später erfahren) und außerdem das mögliche Ende ihrer Mission. Erst kurz zuvor war sie in eine unbelebte Seitenstraße abgebogen und erblickte nun eine Gruppe dreier Männer, die ihr auf der sonst nächtlich ausgestorbenen Gasse entgegen kamen. Einer von ihnen gab durch leichte Fingerbewegung das oberste Notzeichen aller heimischen Agenten. Kathy handelte ohne weiteres Abwägen des Für und Wider. "Freunde, Sie müssen mir helfen, wir wurden überfallen..." schluchzte sie laut auf und stolperte auf einen der anderen Männer zu. Dann ging alles blitzschnell. Noch während sie ihren Betäubungsschlag ausführte, sprang der zweite Mann zurück und löste die Waffe in seiner Tasche aus. Heiß fauchte der Schuß an ihr vorbei. Trotz einer Ausweichbewegung hätte der nächste sie erwischt, wenn ihr mutmaßlicher Kollege nicht ebenso reaktionsschnell gehandelt hätte.
Sein aus einer Körperdrehung heraus erfolgte Tritt in das Rückrad des Schützen, fällte diesen augenblicklich, er schlug auf das Plastikpflaster und blieb reglos liegen. Ein kurzer Blick zeigte Kathy, daß es vorläufig noch keine Zeugen des Zwischenfalls gab. Wie ein eingespieltes Team schleiften sie und ihr Kollege die beiden ausgeschalteten Männer in die nächste Hofeinfahrt. "Verdammt," zischte ihr unbekannter Schützling, "ich glaube meiner ist tot. Manchmal kotzt mich der ganze widerliche Job an. Das waren zwei ganz kleine Lichter, die mich nur zufällig überrascht haben." Sofort hatte er sich aber wieder unter Kontrolle.
"Erst mal herzlichen Dank. Steht Ihr Auftrag mit dem meinen in Zusammenhang?" "Nein," erwiderte Kathy, "der nackte Zufall. Glauben Sie, daß die beiden schon eine Botschaft abgesetzt haben?" "Das ist unwahrscheinlich, warum?" fragte er. "Nun," erwiderte Kathy, "mein Gegner wird etliche Stunden besinnungslos bleiben und ich glaube nicht, daß man die beiden hier schnell finden wird. Das gibt uns Gelegenheit einige Informationen auszutauschen! Aber nicht hier. In der Nähe ist ein ziemlich übles, aber überlaufenes Vergnügungsviertel. Ich denke, wir sollten uns schleunigst dorthin absetzen!"
"Gut, übrigens - Mes Darlon ist mein Name." Schnell, aber unauffällig entfernten sich die beiden um einige Straßenecken. Als sei die ersten Ausläufer des Amüsierviertels erreichten, wechselten sie zur Bummelei eines verliebten Touristenpärchens über. Was Kathy, trotz des Ernstes der Lage, nicht übel gefiel. Dieser Darlon schien ihr nicht unsympathisch. Wenig später saßen sie in einer etwas halbseidenen, aber noch erträglichen Exotic-Bar, auf dessen Bühne junge Frauen der verschiedensten Planetenvölker eine Art Showeinlage gaben. Kathy war übrigens der Meinung, daß die Hälfte dieser sogenannten Frauen weniger exotisch, als vielmehr gut maskiert waren. Für eine gute Geräuschkulisse sorgten sie jedenfalls.
Da auch keine Verfolger in Sicht waren, riskierten die beiden hier ein halblautes Gespräch. "Darlon, so sehr ich diese Anordnung auch verabscheue," begann sie unverblümt, "aber warum leben Sie überhaupt noch? Sie kennen unsere Anweisungen, für den Fall, daß wir erwischt werden. Statt dessen gaben Sie das Notzeichen. Also, worum dreht es sich?" "Daß ich einfach feige bin, glauben Sie also nicht? Aber Sie haben recht. Im Telegrammstil: Bei einem anderen, ziemlich belanglosen Auftrag stieß ich auf ein neueingerichtetes Produktionszentrum. Hergestellt wurden dort neuartige sogenannte Psi-Deflektoren. Das heißt, durch diese miniaturisierten Geräte hat kein Esper, welcher Art auch immer, mehr Einfluß auf einen. Jedenfalls in einem Radius von circa dreißig Metern. Die Gefahr vorher von ihm geortet zu werden, ist ja bekanntlich gering. Wenn die Dinge hier auf Burlon endgültig in Serie gehen, bevor wir etwas gleichwertiges haben..." "Sagen Sie bloß, Sie haben die Pläne?" unterbrach ihn Kathy entgeistert. Etwas Stolz konnte nun auch Mes Darlon in seiner Stimme nicht unterdrücken: "Nicht direkt, aber ich habe ihnen drei von den Deflektoren geklaut und ziemlich sicher, daß sie es bis heute nicht bemerkt haben. Die werden sich ganz schön wundern, wenn die drei Blindgänger, die ich ihnen untergeschoben habe, in den Einsatz gehen, Kollegin!" "Kathy ist mein Name." sagte sie unvermittelt. Dann fielen ihr die Augen aus dem Kopf.
"Mes, die Geräte müssen unbedingt zur Heimatbasis. Haben Sie jetzt noch die Möglichkeit, ohne meine Hilfe zurückzukehren?" "Ja, aber der Haken ist, daß ich mir vorher Zeit lassen muß, um eine neue Identität anzunehmen", meinte Mes nachdenklich, "wann kehren Sie zurück?" "In zwei Tagen, wenn meine Mission nicht fehlschlägt." entgegnete sie. "Mit einem der Deflektoren würden sich meine Erfolgsaussichten um einiges steigern." Er überlegte, "Das wären wahrhaftig zwei Fliegen mit einer Klappe. Ja, ich glaube, auch McLean wäre damit einverstanden." Kathy grinste, "McLaren! Auf einmal so mißtrauisch?" Mes lächelte verlegen, "Nein, Sie hätten wohl andere Möglichkeiten gehabt, mich hereinzulegen." Er reichte ihr einen winzigen Gegenstand. "An der Bedienung ist nichts falsch zu machen. Es gibt nur einen An- und Ausschalter." Kurz darauf verließen sie das Lokal und trennten sich unauffällig. Kathy warf noch einen Blick zurück.
***
Einige Stunden später fieberte Kathy der endgültigen Konfrontation mit Al Rangin entgegen. Das äußere Netz der Agenten, die Rangins Haus unauffällig abschirmten, hatte sie bereits unbemerkt überwunden. Die Tür zum Privatlabor des Wissenschaftlers war von ihr mit einem, ebenfalls eingeschmuggeltem, hochwertigen Codegeber schnell geöffnet worden. In dem Wohn- und Arbeitstrakt selbst, schienen sich keine weiteren Bewacher aufzuhalten. Vorsichtig bewegte sich Kathy zu der offenstehenden Tür eines Labors, aus dem Arbeitsgeräusche zu hören waren. Auf jede Überraschung gefaßt, spähte sie in das Labor.
Das war wirklich Glück. Nur ein Mann hielt sich in dem Raum auf und dieser hatte sie nicht bemerkt, da er mit dem Rücken zu ihr, über einen Arbeitstisch gebeugt stand. Er schien sehr konzentriert an einer Apparatur zu arbeiten. Kathy identifizierte den Mann, auch ohne sein Gesicht zu sehen, als Al Rangin. Sie hatte den Zeitpunkt also richtig berechnet. Rangin war jetzt so beschäftigt mit seiner Arbeit, daß keine Gefahr bestand, daß er sie auf psionischem Wege wahrnahm. Wenn das Gerät von Mes Darlon, welches sie eingeschaltet hatte, tatsächlich funktionierte, war diese Vorsichtsmaßnahme eigentlich überflüssig, aber sie wollte sich nicht ganz auf diesen Faktor verlassen.
Da der Mann nun ohnehin keine Chance mehr hatte, machte sich Kathy mit gemischten Gefühlen bereit, die für derartige Fälle vorgesehene Formel zu sprechen. Auf der einen Seit begrüßte sie es, ihr wehrloses Opfer wenigstens Ansatzweise noch zu warnen, andererseits fand sie den vorgegebenen Satz ziemlich pathetisch. "Al Rangin!", rief sie und als sich dieser verblüfft umdrehte: "Für Terras Ehre!", dann drückte sie ab. Kaum hatte der Strahl des Psi-Löschers Al Rangin getroffen, verzerrte sich sein Gesicht in namenloser Qual. Er stürzte zu Boden und blieb reglos liegen.
"Verdammt, der sieht aber sehr tot aus.", dachte Kathy. Aber es war mit Sicherheit Al Rangin, der Esper, dessen Psifähigkeiten sie beseitigen sollte. Doch dann hatte sie keine Zeit mehr nachzudenken. Zwei Männer stürmten mit gezogenen Waffen in das Zimmer.
***
Kathy Bagnell starrte in die Mündungen zweier Strahlenwaffen. "Wir haben Dich Täubchen!" sagte einer der beiden, ein vierschrötiger Burlone mit einem schmierigen Grinsen. "Schön die Hände hoch!" kommandierte der andere, ein kleingewachsener Mann mit listigen Augen. "Paß auf sie auf, Necha," wies er den anderen an, "ich schaue nach Rangin." Er beugte sich hinunter. "Zu spät, er ist tot." sagte er, doch es schien ihm nicht viel auszumachen. In diesem Moment handelte Kathy. Der andere der beiden Agenten hatte in der ganzen Zeit sein überhebliches Grinsen nicht verloren und hatte sogar die Waffe etwas sinken lassen. Kathies Chancen waren, realistisch betrachtet, sehr klein. Der Labortrakt lag nicht ebenerdig, sondern im ersten Stock des Gebäudes. Dennoch mußte sie die einzige Möglichkeit, die sich ihr bot ausnutzen. Mit einem einzigen Satz überwand sie die Distanz und sprang durch das geöffnete Fenster. Ein Strahl von einer Strahlenwaffe fauchte über sie hinweg. Wieder hatte sie Glück. Ein größeres Gebüsch dämpfte ihren Aufprall, so daß sie nur einige Kratzer davontrug. Aus dem Fall rollte sie sich ab, so gut es eben ging und sprang auf die Beine. Blitzschnell schaute sie sich um und rannte dann in Richtung eines nahen Häuserblockes davon. Ihre Studien der Straßenpläne zahlten sich nun aus. Verfolgt wurde sie von den auf der Straße postierten Agenten, die sich schon angeschickt hatten, das Haus zu betreten. Mehrfach wurde auf Kathy geschossen, doch als es ihr gelang, um die nächste Ecke zu biegen, stiegen ihre Aussichten im Labyrinth der Häuserschluchten zu entkommen.
* * *
Sie hatte es tatsächlich geschafft. Ihr Entkommen nach dem Anschlag auf Rangin war äußerst knapp gewesen. Nur durch eine Mischung von Glück und Können war es ihr möglich gewesen, sich zu retten. Danach waren die Schwierigkeiten nicht beendet gewesen. Wie sie festgestellt hatte, konnte sie nicht auf dem geplanten Weg in die Basis zurückkehren. Man hatte die Kontrollen derartig verschärft, daß sie andere Wege suchen mußte. Tatsächlich war es ihr schnell gelungen, einen solchen Weg zu finden. Nun stand die Ankunft in der Basis kurz bevor. Schon landete die Fähre im basiseigenen Hangar. Kurz darauf stand Kathy McLaren gegenüber.
"Willkommen daheim.", sagte McLaren, "Kathy, Sie baten darum, sofort zu mir vorgelassen zu werden. Ich habe dieser Bitte ausnahmsweise entsprochen. Also, worum geht es?" "Nun," begann Kathy, "bei der Erfüllung meines Auftrages fiel mir einiges auf. So zum Beispiel, daß Rangin beim Einsatz meiner Waffe starb. Dies schien dem feindlichen Agenten, der mir das bestätigte kaum zu beunruhigen. Überhaupt kam mir der ganze Ablauf sehr inszeniert vor." "Sprechen Sie doch weiter Bagnell.", bemerkte McLaren ruhig. Unauffällig legte sein Finger einen Schalter um, der das Büro von der Außenwelt völlig isolierte. "Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?"
"Ich habe mir überlegt," antwortete Kathy, "ob Rangin wirklich ein Esper war. Aber wenn nur ein Wissenschaftler war, so wäre er doch für die Gegenseite wertvoll gewesen! Das ist also noch keine Erklärung für das Desinteresse an seinem Tod." "Ganz recht.", kam es nun von McLaren, "Wissen Sie, irgendwie bewundere ich Ihre Intelligenz. Noch mehr habe ich mich darüber gewundert, daß Sie es überhaupt geschafft haben, zurückzukehren. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich fürchte nur, Ihre Gedankengänge könnten mir langsam gefährlich werden."
"Natürlich, das ist die Erklärung für alles!", brachte sie fassungslos hervor. "Sie sind in Wirklichkeit ein Spion des Feindes, McLaren wurde ausgetauscht." "Richtig, ich bin nicht McLaren und Al Rangin war in Wirklichkeit ein Agent Terras, aber auch die Verantwortlichen auf Burlon, meiner Heimat hatten schon Verdacht geschöpft. Einerseits war man sich nicht sicher, ob er ein Feind war, er leistete ansonsten gute Arbeit. Ihn zu, nun, verhören hätte so oder so keine wichtigen Informationen erbracht. Außerdem kann ich jetzt hier genug erreichen. Schade, daß mein Plan nicht hundertprozentig funktionierte, eigentlich wollte ich Sie und Rangin gleichzeitig loswerden."
Kathy bewegte vorsichtig die linke Hand in eine ihrer Taschen. Sie ahnte bereits, daß dieser Mann, der ihr gegenüberstand, mehr Fähigkeiten besaß, als ein durchschnittlicher Feindagent. Sie legte, ohne hinzusehen, den Schalter des Psi-Deflektors um, den Mes Darlon ihr ausgehändigt hatte. Da fuhr der Mann, der aussah wie McLaren auch schon fort: "Machen Sie sich keine Illusionen. Ich bin tatsächlich ein Esper, Sie haben verspielt. Den anderen werde ich erzählen, man hätte Sie umgedreht und Sie hätten mich ermorden wollen."
Kathy schauderte. Der Einsatz auf Burlon war für ihren Psi-Deflektor kein richtiger Test gewesen, da Al Rangin ja kein richtiger Esper gewesen war. Ihr Gegner sah sie konzentriert an. Vermutlich versuchte er jetzt Kathy unter seinen Einfluß zu bringen, um sie dann, ohne daß sie sich wehren konnte, zu töten. Da war die Entscheidung! Als Kathy Bagnell die maßlose Verblüffung im Gesicht des Mutanten sah, sprang sie ihn an und fällte ihn mit ein paar Schlägen. Der Feind in Gestalt ihres Chefs konnte ihr in seiner Überraschung nichts entgegensetzen. Bewußtlos sank er zu Boden.
Kathy suchte und fand den Schalter für den Isolationsschirm, der um das Büro gelegt worden war. Den Deflektor deaktivierte sie jedoch vorerst nicht. Trotzdem war das erste, was sie von dem hereinstürmenden Personal hörte: "Verdammt, sie hat den Chef erledigt, nehmt sie fest!"
***
Das Mißverständnis hatte sich glücklicherweise ziemlich schnell aufklären lassen. Kathy hatte keine Gegenwehr gezeigt und eilig die wichtigsten Informationen gegeben. Erste Überprüfungen an Ort und Stelle ergaben, daß an der Geschichte etwas dran sein konnte, später wurde alles in ihrem Sinne bestätigt. Der vorgebliche McLaren wurde verurteilt und wenig später ausgetauscht gegen Mes Darlon, der mittlerweile auf Burlon festgesetzt worden war. Etwa zu diesem Zeitpunkt stand Kathy Bagnell im Büro von Nitzki, der sozusagen der Personalchef der Basis war.
"Na schön, Kathy," sagte er zu ihr, "Sie haben einiges bei uns gut, durch die Enttarnung des angeblichen McLaren, aber Sie wollen das wirklich ausnützen um vorzeitig den Dienst zu quittieren? Warum nur, ich verstehe Sie nicht!" "Wissen Sie," antwortete Kathy, "ich habe bisher durch und mit meiner Arbeit die Verantwortung für alles mögliche übernommen, obwohl ich das oft eigentlich gar nicht wollte. Das endete damit, daß ich einen unserer Leute tötete. In Zukunft will ich bewußt Verantwortung übernehmen. Doch damit muß ich bei mir selbst beginnen. Ich will zunächst einmal mein eigenes Verhalten verantworten!"
"Hm, irgendwie ahne ich was Sie meinen, Kathy," erwiderte Nitzki, "und ich wünsche Ihnen Glück. Haben Sie schon konkrete Pläne?" "Nun," antwortete Kathy rätselhaft, "Eigenverantwortung schließt ja eine zeitweilige Kooperation mit einem anderen Menschen nicht aus!" Ein wenig dachte sie dabei an Mes Darlon...
-Ende-
EXPANSION
(SF-short-story von BukTom Bloch)
"Nun ist es bald soweit", sagte Thoküp versonnen und zwei seiner Arme fluktuierten grünlich im Abendschein. "Ja.", erwiderte Zauri, "Irgendwie ist es ja doch aufregend. Aber vor allem macht es uns zufrieden, das ist ein gutes Gefühl." Auch zwei ihrer Arme funkelten nun sanft, Eintracht mit Thoküp signalisierend.
Das Volk der Secolis stand in gewisser Weise am Ende seines Weges. Was aber niemanden betrübte oder gar beunruhigte, eher wurde dies als eine natürliche Vollendung wahrgenommen. Der Zyklus der Sonne ihres Hauptsystems würde einen Sprung machen. Groß war überall die Freude, als sich die Zeichen und Messungen mehrten, dass sie wie erwartet tatsächlich zur Supernova werden würde. Dies gab dem sehr alten Volk eine grandiose Chance. Als die Entwicklung als wirklich sicher galt und der Prozess auch bereits in Gang geriet, kehrten fast alle Secolis von den zahlreichen Kolonialwelten zurück ins Heimatsystem. Sie lösten damit bei vielen Völkern anderen Ursprungs Trauer und Bedauern aus, denn die Secolis waren beliebte Partner, ruhig, abgeklärt, freundlich und kreativ. Verständnis gab es aber allerorten dennoch. Völker die noch nicht um die Gesetze des Lebens wussten, wurden nun spätestens zu diesem Zeitpunkt eingeweiht in die modernen Erkenntnisse der Astrophysik (die den Secolis selbst freilich schon sehr lange bekannt waren). Danach verstand jeder, worum es wirklich ging.
"Was wohl alles aus uns werden wird?" führte Thoküp den Dialog fort und strich mit einigen Armen behutsam über das Glas der Beobachtungskuppel. Zauri ließ alle ihre Augen freudig pulsieren. "Eine Menge! Da bin ich ganz sicher. Wir haben uns mathematisch fast exakt im System verteilt. Gleichmäßiger könnten es die Großen Denker von Elgoog nicht berechnen! Das erhöht die Chancen, dass wir vergleichsweise viel und das relativ schnell erreichen, ganz deutlich." Thoküp kreiste dazu zustimmend mit dem Kopf.
Die Sonne, das gesamte System würde in einer Ehrfurcht gebietenden Explosion aufgelöst und ins Universum hinaus getragen werden, weit, sehr weit über die Scorpius-Centaurus-Assoziation hinaus. Bis auf einen kleinen Rest der ursprünglichen Sonne natürlich. Die Secolis lebten schon sehr lange in diesem System, eine Million Jahre sicherlich, und sahen es als ihre Heimat an. Entwickelt hatten sie sich hier freilich wohl nicht, dazu war die kosmische Lebensdauer solcher System schlicht zu kurz. Doch die Anfänge lagen im historischen Dunkel. Selbst ihr Volk hatte archaische Zeitalter gekannt.
Zauri nahm den Faden wieder auf: "Ja, es ist nun jeden Moment soweit. Es ist schön, dass wir diesen Augenblick zusammen erleben!" Und nun fluktuierten und funkelten ALLE ihre Arme. "Dann kann es ja losgehen, mit unserer Expansion!" Thoküp stutze ein wenig und erwiderte amüsiert: "Ja, das ist wirklich schön! Aber: `Expansion`? Das klingt ja fast wie etwas aus den archaischen Zeitaltern!" "Genau.", entgegnete seine Begleiterin belustigt, "Wir erobern und vereinnahmen das Weltall! Barbarisch und dumm, wie in den uralten Zeiten, als die Secolis sich auf den planetarischen Inseln bekriegten oder aus Gründen wie `unterschiedliches Farbflimmern der Arme` -dies säuberlich nach Gruppen aufgeteilt- die Pseudopodien versohlten und so weiter!!" Eine Sekunde herrschte Stille. Dann brachen beide in ein lautes und lang anhaltendes Gelächter aus. ...in das hinein sich die Sonne endgültig wandelte und als Supernova erstrahlte.
Was nun geschah, hatten die Secolis schon vor langer Zeit durch andere, noch wesentlich ältere Völker erfahren und ihre eigenen Forschungen hatten es bestätigt. Das kosmische Material von Supernovae verteilte sich im All, traf auf andere Systeme und beeinflusste diese. Da, wo es noch kein Leben gab, war es geeignet, diesen Entstehungsprozess in Gang zu setzen. Und, noch wunderbarer, dort wo es bereits erstes Leben gab, wurde oftmals der erste Anstoß zur Entwicklung von Intelligenz, von Bewußtsein gegeben. Das älteste Volk, das die Secolis je kennen gelernt hatten, waren die Etaner. Diese hatten ihnen glaubwürdig versichert, in dem neu entstehenden Bewußtsein auf anderen Welten seien klare Bezüge zu den Eigenschaften der jeweiligen Bewohner von Supernovasystemen zu finden gewesen, sofern es in diesen solche gab. Das habe sich immer wieder bestätigt, im Laufe sehr vieler Jahrmillionen. Und dies, dies war eine Art der "Expansion", der sich die Secolis gern zur Verfügung stellten...
Auch das so genannte Solsystem hielt sich übrigens vor 2,7 Millionen Jahre für längere Zeit in den Resten der Secoli-Supernova aus dem Sternverband Scorpius-Centaurus OB auf. Ein Umstand, der sich heute allerdings nur noch anhand der eigentümlichen Konzentration von Fe-60 in Ketten von Magnetit-Nanokristallen weniger in Ozeansedimenten lebender, eisenliebender Bakterien nachweisen lässt...
(BTB, 2016)
Der Ruf Fantasy-Story von Buk Tomm
Es ist nun an der Zeit, Ihnen meinen gleich folgenden Bericht zur Kenntnis zu geben. Sie können davon ausgehen, daß sich alles tatsächlich so abgespielt hat. Obwohl Sie mit Sicherheit an einem bestimmten Punkt sagen werden: "Das kann sich ja damals gar nicht ereignet haben, weil...!" Warum es doch so gewesen sein kann, werde ich Ihnen im Anschluß an meinen Bericht erklären. Auch hoffe ich, daß Sie Verständnis dafür haben werden, daß ich Ihnen nicht sagen darf, aus welcher Quelle meine Informationen stammen! Lassen Sie mich beginnen:
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Im Süden des Transhimalaya liegt der 6714 Meter hohe heilige Berg Kailas, auf tibetanisch auch Kangrinpotsche genannt. Er gilt als Symbol des Gottes Schiwa und ist ein beliebtes Pilgerziel. Doch existiert auf diesem Berg ein geheimes, versteckt liegendes Kloster, von dem nur die wenigsten wissen. Dort fand das folgende Gespräch zwischen Yamaprana - der sozusagen der Abt des Klosters war - und seinem gelehrigsten Schüler Savitra statt: "Savitra, wir müssen Ischwara, unseren höchsten Herren, wir müssen Schiwa selbst nun zu uns rufen. Er soll sich uns in menschlicher Gestalt zeigen, damit er die Kraft un- serer Seelen erneuert, mit der wir dann auch andere auf den Weg der Erkenntnis bringen können." Minutenlang schwieg Savitra und sann über die Worte des Meisters nach, bis er ihre Wahrheit in sich fühlte. Er antwortete: "Wie, Meister, soll dies geschehen?" Und Yamaprana sprach: "Rufe alle Mönche zur Meditation herbei. Unserem gemeinsamen Ruf wird sich Schiwa nicht verschließen können!" So erhob sich Savitra die Mönche zu rufen.
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Berlin, den 5.1.1925. Viele Berliner machten sich an diesem Wochenende, angesichts des milden Winterwetters auf in die Tanzcafes. Auch das Café "Schümer" in der Leopoldstrasse war an diesem Samstag recht gut frequentiert. Es schien für die Besucher ein zwar amüsanter, keineswegs aber ungewöhnlicher Abend werden zu wollen.
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Die fünfzig Mönche des Klosters hatten sich bereits um Yamaprana und Savitra im Meditationssaal versammelt. Yamaprana sprach zu ihnen: "Laßt uns nun gemeinsam in der Meditation den Ischwara rufen - Schiwa selbst, dessen Tanz die Welt erhält! Auf daß wir erneut von ihm lernen mögen!" Und die Mönche versanken in tiefstes Schweigen und taten wie ihnen geheißen.
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Ein Teil seiner selbst war überwältigt von der Fremd- artigkeit seiner Umgebung. Dennoch reagierte er instinktiv richtig. Blitzartig nahm er wahr, daß sein plötzliches Auftauchen unbemerkt geblieben war. Ein seltsamer Effekt, der aber kurzfristig zunächst immer auftrat, wenn er er- schien. Auch seine Gestalt und seine Kleidung waren, wie immer, seiner Umgebung angepaßt. Eine Besonderheit war die Anwesenheit von Parawati, seiner Gattin. Doch auch dies fand seine Erklärung in den Erfordernissen des Ortes seines Erscheinens. Denn auch die Menschen um sie herum tanzten in Paaren. Was er noch nicht wußte, war, daß das Ende der Tanzveranstaltung im Café "Schümer" kurz bevorstand.
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Ein leichter Ruck ging durch die Körper der Mönche. Nach einer Weile wand sich Savitra zu Yamaprana: "Meister, ich fürchte wir haben einen Fehler gemacht." "Ja," antwortete dieser, "Schiwa ist erschienen, doch nicht hier, nicht vor unseren Augen!" "Was wird nun geschehen, Meister?", frug Savitra. "Nun, Schiwa wird tanzen," erwiderte der Mei- ster, "nach der in den alten Schriften genannten Zeit- spanne wird er in seine Welt zurückkehren. Leider ohne daß wir unsere Seelen kräftigen durften, durch den Anblick seines Tanzes!" "Wo immer er auch erschienen sein mag, niemand wird wohl den Tanz des Gottes zu stören wa- gen!", fügte er hinzu.
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Die Kapelle war verstummt und der Geschäftsführer des Cafés wandte sich an die noch Anwesenden: "Geehrte Herrschaften, wir danken für Ihren Besuch! Leider müssen wir jetzt schließen. Ich wünsche Ihnen einen guten Heim- weg! Auf Wiedersehen." Er wand sich zur Seite: "Auch die beiden Herrschaften, die dort immer noch, selbst ohne Musik - ha, ha - dem Tanzvergnügen nachgehen, möchte ich jetzt doch sehr bitten...!" Es erfolgte jedoch keine Reaktion. Nur ein Satz, in einem seltsamen Singsang, drang zu ihm herüber: "Noch ist die Zeit nicht um, die verstreichen muß!" Einige der jungen Damen kicherten nun und spöttische Bemerkungen wurden gemacht. Einem der jungen Männer schien dies eine vortreffliche Ge- legenheit seinem Mädchen zu imponieren. Er ging auf das tanzende Paar zu und sagte: "Na, jetzt beruhigt Euch mal. Hier ist für heute Feierabend, das seht Ihr doch!" Als keine Reaktion erfolgte, setzte er hinzu: "He, ick sprech' mit Dir, Männeken!" und berührte den Mann an der Schulter. Da
das Paar jedoch nicht aufhörte zu tanzen, wurde er nun unabsichtlich, aber unsanft angerempelt. Das aber war ihm zuviel! Er riß den Mann herum und schlug zu.
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"Was aber, Meister, würde geschehen, wenn doch jemand Schiwas Tanz störte?", frug Savitra. Yamaprana aber lächelte und sprach: "Gib Dir die Antwort selbst, Savitra! Du weißt: SCHIWAS TANZ ERHÄLT DIE WELT!"
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Schiwas Natur war sicher göttlich, seine Inkarnation aber durchaus menschlich! Durch den Schlag des jungen Mannes gefällt, stürzte er schwer zu Boden und verlor die Besinnung. Der Tanz hatte ein Ende!
Und die WELT versank im Nichts und verging...
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Soweit mein Bericht. Je nachdem WO und WANN Sie sich befinden, mögen Sie nun einwenden, das Jahr 1925 sei doch schon längst vorbei und die Welt sei damals eben nicht untergegangen. Nun, viel darf ich darüber nicht sagen, aber Sie haben sicher schon von Parallelwelten gehört, oder auch vom Kreislauf der Zeit, einem Kreislauf, der ja nicht immer exakt denselben Durchmesser haben muß! Und sicher gibt es auch dort wo SIE sich gerade befinden, Mönche und Tanzcafes, oder etwas so ähnliches. Vielleicht achten Sie bei Ihrem nächsten Besuch, da oder dort, einmal auf ungewöhnliche Vorkommnisse! Eigentlich darf ich Ihnen auch nicht sagen, warum Sie meinen Bericht gerade JETZT in Händen halten... Aber ich würde Ihnen empfehlen: Nutzen Sie Ihre Zeit gut!!!
-ENDE-
Ein ganz normaler Einkaufsbummel (Horror-story von Burkhard Tomm-Bub)
Rolf Martens war froh, diesen Supermarkt gefunden zu haben. Erst vor kurzem war er in diese Gegend gezogen. Mit diesem etwas abgelegenen Supermarkt war er bislang in jeder Hinsicht zufrieden. Durch Zufall hatte er ihn heute entdeckt und schon beschlossen hier öfter einzukaufen. Im Moment hatte er aber nur einige Kleinigkeiten gebraucht, da er die meisten Sachen, die er für das bevorstehende Wochenende brauchte, schon anderswo gekauft hatte. Nun, ein paar Kleinigkeiten, Steaks und Zigaretten hatte er hier noch günstig erstanden und suchte nun die Kasse. Als Rolf schon eine ganze Zeit vergeblich herumgewandert war, fragte er schließlich eine Verkäuferin. "Wo geht's denn hier zum Ausgang?" "Dort entlang!" rief ihm die Frau im Vorbeigehen zu und zeigte in die entsprechende Richtung. Als Rolf dort ankam, mußte er zu seiner Überraschung feststellen, daß es gar keine Kasse gab. Er schob seinen Einkaufswagen noch eine Zeitlang unschlüssig hin und her. Dann beschloß er, noch einmal zu fragen. "Wo bitte, ist hier die Kasse, vorne kommt man ja nicht raus!" sprach er einen Verkäufer an, der gerade dabei war, Waren einzusortieren. Dieser schaute ihn einen Moment lang an und antwortete: "Gehen Sie nur diesen Gang entlang, dann rechts und gleich wieder links!" So machte sich Rolf Martens wieder auf den Weg. An die Beschreibung des Verkäufers versuchte er sich so gut wie möglich zu halten, was gar nicht so einfach war. Langsam wurde er auch wirklich ungeduldig - irgendwo mußte doch dieser verdammte Ausgang sein! Sein Ärger wuchs. "Vielleicht sollte ich in Zukunft doch nicht mehr hier einkaufen," schoß es ihm durch den Kopf. "Das ist ja der reinste Irrgarten!" Immer noch konnte er nichts entdecken, was nach einer Kasse oder einem Ausgang aussah. So dumm konnte er doch wohl eigentlich gar nicht sein. Außerdem hatte er das deutliche Gefühl, daß sich das Geschäft langsam leerte. Es schienen sich kaum noch Kunden in diesem Laden aufzuhalten. Das war eigentlich seltsam. Um diese Uhrzeit war normalerweise in jedem Geschäft ein großer Kundenandrang, schließlich war es Freitagnachmittag. Plötzlich überfiel ihn das Gefühl, irgend etwas stimme hier nicht. Obwohl - das war natürlich lächerlich! Er war doch in einer ganz normalen Situation, oder? "Sie suchen etwas, mein Herr!" Ruckartig drehte er sich um. Die Verkäuferin in seinem Rücken hatte er gar nicht bemerkt. Erschreckt blieb er wie angewurzelt stehen. Mit großen Augen und seltsam starren Blick, wie es ihm schien, schaute die Frau ihn an. "Dort entlang müssen Sie!" tönte es. Ihr Zeigefinger schnellte in die entsprechende Richtung. "Dort entlang!" Rolf Martens Finger sanken herab. Er ließ den Einkaufswagen einfach stehen. Zögernd, vom Blick dieser Augen gebannt, ging er einige Schritte rückwärts. Endlich gelang es ihm, sich abzuwenden, und er lief, lief einfach davon. Daß er genau in die Richtung rannte, die die Verkäuferin ihm gewiesen hatte, fiel ihm dabei allerdings nicht auf. Kein Kunde schien sich mehr in diesem grauenhaften Geschäft aufzuhalten. Nur die weißen Kittel der Bediensteten nahm er ab und zu aus den Augenwinkeln wahr. Mein Gott, wie groß war denn dieses Geschäft? Rolf keuchte bereits, und sein Herz klopfte wie rasend. Irgendwo mußte er doch endlich einmal ankommen! Da, da vorne war doch irgend etwas! Die Reihen der Regale lichteten sch, und Rolf sah nun, wohin er geraten war. Er befand sich jetzt in der Fleisch- und Wurstwarenabteilung. Die Fleischtheke bildete den Abschluß des Raumes. Weiter ging es nicht! Er taumelte noch die restlichen Schritte auf die Theke zu und hielt sich dann an ihr fest. Schweiß verklebte ihm die Kleidung und lief ihm in die Augen. Mit einer hastigen Bewegung wischte er sich über die Stirn. Eigentlich wagte er es nicht, sich umzudrehen, aber er mußte es tun! Wie unter einem inneren Zwang wandte sich Rolf Martens um. Was er sah, bestätigte endgültig seinen Verdacht, in einem - furchtbar realen - Albtraum gelandet zu sein. Aus allen Gängen, die auf die Fleischtheke hin mündeten, kamen langsam - und seltsam lautlos - weißbekittelte Verkäuferinnen und Verkäufer. Schnell hatten sie ihn quasi eingekreist. Rolf verspürte nicht einmal mehr richtige Angst. Vor Entsetzten war er einfach wie gelähmt. Sein ganzer Körper war eiskalt, und seine Hände sanken kraftlos herab. "Was wollen Sie überhaupt von mir?" stammelte er. Zunächst antwortete ihm niemand. Dann trat aus der Menge eines der Wesen heraus und kam langsam auf ihn zu. Die kleinen Augen in dem rosigen Gesicht blinzelten ihn an. "Ach, nichts Besonderes, Rolf Martens, nichts Besonderes..." sagte es mit seltsam quietschender Stimme. "Wir wollten nur endlich einmal, sozusagen - DEN SPIESS UMDREHEN, HA, HA, HA, HA!!" Das schaurige Gelächter ließ das Blut in Rolfs Adern endgültig gefrieren. Wie hypnotisiert starrte er das Wesen mit geweiteten Pupillen an. Immer weiter schlich sich das Wesen an ihn heran. Es gab einen animalischen Laut von sich. Doch noch immer wußte Rolf nicht, worum es hier eigentlich ging. Bis dann sein Blick auf die Reklametafel der Fleischabteilung fiel: Unser Fleisch, stets frisch, stets etwas Außergewöhnliches!
Es ist nicht immer leicht, ein Diener (oder sagen wir es vornehmer: ein Butler) zu sein! So sehr ich, S. Wenson Swap, auch versuchte, alles in Haus und Hof perfekt zu gestalten- nie konnte man es wirklich jedem recht machen -gleich ob dies nun die Mitglieder der Familie, die vielen Gäste oder andere Hilfskräfte im Haushalt betraf. Aber insgesamt war man schon sehr zufrieden mit mir, da war ich mir dann doch wiederum sicher! Im Jahre des Herren 1897 aber, spielten sich äußerst merkwürdige und beunruhigende Dinge im Haushalt der Familie Westenra ab, denen zu dienen ich die Ehre hatte. Insbesondere betroffen war hiervon die schöne und junge Herrin, die Tochter des Hauses, Lucy Westenra. Gerade einmal Anfang Zwanzig brachte sie oftmals mit ihrer lebhaften und manchmal fast schon leicht frivolen Art „Leben ins Haus“ und sorgte damit für manch’ unterhaltsame und amüsante Augenblicke, die ich –diskret im Hintergrund natürlich- immer wieder einmal miterleben durfte. Doch damit hatte es nun seit einigen Tagen mehr und mehr ein Ende. Eine Art böser Schleier lag jetzt über dem prächtigen Londoner Haus mit seinem großen parkähnlichen Garten, ein Schleier, der einfach nicht weichen wollte ... Unruhe, Nervosität, ja fast schon Angst hatte jeden Bewohner und Bediensteten erfasst.
Noch vor Kurzem hatte alles eine schönere Zukunft verheissen: Lucy Westenra hatte ihr zuvor -mit Verlaub und allem Respekt- vielleicht manchmal etwas „leichtes Herz“, endgültig einem aus der Schar ihrer Bewerber zugewandt –und mit Lord Arthur Holmwood nun wahrlich keine schlechte Wahl getroffen! Dies war der harmonische Stand der Dinge- bis dieser Prinz Vlad Dracul auf den Plan trat. Dieser war über Miss Lucys beste Freundin, Mina Murray, in ihr Leben getreten. Miss Murray, die ja eigentlich ihren Verlobten Jonathan Harker sehnlichst aus Transsylvanien zurück erwartete, wo dieser auf einer Geschäftsreise seltsamerweise und ungeplant aufgehalten worden war ...
Obwohl dieser Dracul selten offen im Hause auftrat, hatte ich schnell bemerkt, das hier etwas nicht stimmte, das dieser Herr ein außergewöhnliches Wesen sein musste- und ich hatte ihn sogleich mit der mysteriösen Krankheit von Miss Lucy in Verbindung gebracht. Es war erschreckend anzusehen, wie hinfällig sie, die einstmals so Fröhliche, nach und nach wurde, wie leidend, wie zerrissen sie mehr und mehr wirkte. Ein beängstigendes nächtliches Schlafwandeln im sturmgepeitschten Garten, ihr abwesender und verstörter Gesichtsausdruck, ihre Schmerzen, ihre immer öfter deutlich spürbare Angst- all’ das war höchst beunruhigend. Am schlimmsten war es vielleicht, die Hilflosigkeit aller Berater und insbesondere des Hausarztes Dr. Jack Seward mitzuerleben. Niemand fand trotz größter Bemühung auch nur eine Erklärung, geschweige denn eine Heilungsmöglichkeit für das fortschreitende Dahinsiechen der einst so schönen, jungen Frau. Das war eine wirklich traurige Sache- und jeder hoffte nun natürlich, dass der von Dr. Seward herbei telegraphierte Professor Abraham van Helsing möglichst bald einträfe und der Unglücklichen dann wirklich wirksam helfen könne.
Ich schloss mich nach Außen hin natürlich diesen Wünschen an und äußerte mich so, wie es Alle taten. In Wirklichkeit sah es aber insgeheim ganz anders in mir aus. Meine Ziele, meine Pläne- sie waren völlig unterschiedener Natur hiervon. Und sie kreisten sehr intensiv um die Person des Dracul, um die des Nosferatu! Denn genau das war er- ein Untoter, ein Vampir. Eben das hatten meine in den letzten Tagen in jeder freien Minute erfolgten Beobachtungen, Ermittlungen und Recherchen ergeben. Ich war intensiv, aber sehr vorsichtig vorgegangen –und so mutmaßlich nicht von ihm entdeckt worden. Meine anfängliche, intuitive Vermutung hatte sich vollständig und in jedem Punkte bewahrheitet. Nun mag es verwundern, dass ein „einfacher Butler“ überhaupt etwas über derartig entlegene, dunkle und seltsame Dinge weiß ... Aber als solchen sah’ ich mich ja nun nicht wirklich. Ein Butler: ja. Seit einigen Jahren schon übte ich diesen Beruf umsichtig, engagiert und alle anderen Hilfskräfte im Hause anleitend aus. Als „einfach“ betrachtete ich mich jedoch unbescheidener Weise nie. Schon seit langem pflegte und studierte ich privat die verschiedensten Interessensgebiete. Volksglaube, Vampirismus und ähnliches gehörten dabei ebenso dazu, wie auf der anderen Seite die modernsten technischen Entwicklungen meiner Zeit.
Dracul. Vlad Dracul- ein unsterblicher Blutsauger, ein mächtiger und kluger ganz sicherlich noch dazu! Es lief mir eiskalt über den Rücken und alle meine Muskeln spannten sich nervös an. Was ich nun vorhatte, war ganz sicher ein schauriges Unterfangen, mit ungewissem Ausgang und grenzenlosen Gefahren schrecklichster Art. Doch ich musste es tun. Alles war lange und sehr genau überlegt und bedacht. Ich war vorbereitet und fest entschlossen, alle möglichen Folgen zu tragen! Langsam stieg ich die ersten Stufen zu dem Zimmer hinauf, in dem ich Dracul allein antreffen würde- mindestens eine halbe Stunde, eher aber länger, würde auch keinerlei Störung von Außen eintreten, so hatte ich es geplant und voraus berechnet.
Plötzlich hielt ich einen Moment lang inne und kicherte, fast hysterisch, kurz in mich hinein. Ein skurriler und eigentlich völlig unpassender Gedanke war mir unvermittelt ins Gehirn geschossen. Der Prinz sah ja in der Gestalt die er zur Zeit angenommen hatte, wirklich einnehmend aus- insbesondere für viele Damen, wie es mir vorkam. Sein Haar aber war, selbst für das moderne London von 1897, wahrlich recht lang geschnitten, fiel weit über die Schultern hinaus. Und eben war mir der aberwitzige Gedanke gekommen, dass er damit ja nun fast ein wenig so aussah, wie ich selbst, als ich einmal für einen volkstümlichen Maskenball mir aus einer alten Perücke etwas besonderes gebastelt hatte. Ich hatte sie ähnlich dunkel eingefärbt und sie war ebenfalls recht lang gewesen- allerdings hatte ich die Haarsträhnen sämtlich künstlich verfilzt, zu einer Art seltsamer Locken und dazu eine sehr dunkle Brille getragen. „Sieht ja zum Fürchten aus!“, hatte eine Bekannte, die gute Laetitia, damals gesagt und sie scherzhaft „dreadlocks“ genannt. Zum Fürchten, hm. Ich lächelte dünn, aber grimmig. Da hatten wir ja den Zusammenhang! Vielleicht wird ja selbst so etwas einmal Mode, dachte ich noch- vielleicht in London, vielleicht nur auf irgendwelchen karibischen Inselstaaten, oder sonst wo- was weiß ich ...!
Dann aber schob ich all’ das beiseite, schritt die restlichen Stufen hinauf und betrat das Zimmer. Ich blieb einige Sekunden etwas unschlüssig stehen, zögerte. Dracul wandte mir den Rücken zu, schien intensiv ein Bild zu betrachten, reagierte nicht. Schon wollte ich den nächsten Schritt machen, als er mich plötzlich ansprach, ohne sich jedoch umzudrehen: „Swap. S.Wenson Swap. Sie schleichen sich nicht in ihrer Rolle als Butler derart ungeschickt an mich heran- richtig?“ Er wandte sich unvermittelt um und fixierte mich, während ich unwillkürlich etwas zusammenzuckte. „Woher, ...?“, brachte ich mühsam hervor. „Woher ich das weiß? Kommen Sie, Mann – machen sie sich nicht lächerlich! Dass sie ein wenig mehr im Kopf haben, als die üblichen Vertreter ihres Berufsstandes, ist mir sofort aufgefallen- und ihre alberne Nachspioniererei in den letzten Tagen ist mir natürlich auch nicht verborgen geblieben. Mir scheint, Sie unterschätzen mich –und das trotz ihrer sämtlichen angestrengten Studien!“. Ich war verblüfft und meine Hände fuhren nun doch etwas fahrig hin und her. Gleichzeitig faszinierte mich aber auch das Wissen um die ungeheueren Fähigkeiten dieses Wesens. „Nein. Nein, eigentlich nicht ...“, sagte ich mit etwas gepresster Stimme. „Nun! Um es abzukürzen…“, Dracul wirkte nun etwas enerviert, aber durchaus entschlossen. „Ich nehme stark an, Sie belieben den Helden zu spielen und möchten das Böse, möchten MICH besiegen, vernichten, kurzum aus der Welt vertilgen? Richtig? Was führen Sie mit sich- Kreuze? Knoblauch, Spiegel, Gebetbücher? Ein Heftchen mit ein paar alten, christlichen Zaubersprüchen?“ „Nichts dergleichen!“, platzte ich heraus. „Und ... –es geht um etwas völlig Anderes, Vlad!“ Stille trat ein. Nach etlichen Sekunden ließ sich Vlad Dracul scheinbar gänzlich entspannt, ja fast lässig, in einen Sessel nieder und machte eine unbestimmt einladende Handbewegung, die andeutete, ich solle ihm gegenüber Platz nehmen. Was ich nach kurzem Zögern auch tat. „Wissen Sie, Wenson“, er lächelte dünn hinsichtlich dieser von ihm zurück gegebenen Vertraulichkeit, „es kommt tatsächlich selten vor, dass es noch jemandem gelingt, mich ein wenig zu überraschen und einen Funken echten Interesses zu wecken. Das bringen die Jahrhunderte so mit sich. Tun Sie sich keinen Zwang an- schildern Sie Ihr Anliegen. Sie haben 5 Minuten.“ Ich war überrascht, verwundert, verwirrt, all’ das, ja. Aber ich schaffte es fast sofort, meine Konzentration wieder zu gewinnen und meinen sorgfältig entworfenen und oft geübten Vortrag entschlossen vorzubringen. Ich sprach von meinem brennenden Interesse am Wissen der Welt. Von meiner Lebensuhr, die nun schon mehr als halb abgelaufen war, von dem überstarken Gefühl, mindestens 100 Jahre zu früh geboren worden zu sein, von meinem enormen Bedürfnis, nein von meiner Vision, etwas Besonderes für die Verständigung, den Wissensaustausch, die Verbindung der Menschen weltweit tun zu müssen und zu können- und von meiner großen Enttäuschung selbst von den neuesten Errungenschaften der menschlichen Technik, wie dem Kinematographen und dem so genannten Telephon. Wie primitiv, unfertig und unzulänglich mir das Alles vorkam.“ „Stop!“, unterbrach mich der Nosferatu. „Ich denke, ich habe verstanden. Aber worauf soll es hinaus- was wollen Sie von mir?“ Er legte den Kopf etwas in den Nacken, hob beide Augenbrauen und blickte auf mich herab. Ich nahm meine letzten Mut zusammen. „Beißen Sie mich- und anschließend lassen Sie mich ein wenig von Ihrem Blut trinken. Ich muss die Zukunft sehen. Ich MUSS!“ Dracul fuhr hoch. „Unverschämt! Sie haben die Frechheit? Sie wollen mir gleich, oder doch zumindest ähnlich werden?“ Er fixierte mich mit verkniffener Mine. „Gegen ein paar Liter echten Menschenblutes- nun gut, dagegen ist nie wirklich etwas einzuwenden! Aber: Ob und wem ich jemals erlaube mir ähnlich zu werden ... nein, mein Lieber. Das ist eine grenzenlose Anmaßung von Ihnen, mich um derartiges anzubetteln!!“ „Nein, ... nicht um die Macht, nicht die Ähnlichkeit ... Zeit! Ich brauche doch nur Zeit. Ein paar Jahrzehnte- Jahrhunderte wenn es hoch kommt ...“, stammelte ich unbeholfen. Sein Zorn verrauchte ein wenig. „Erstaunlicherweise habe ich das Gefühl, dass Sie es in dieser Hinsicht ehrlich meinen. Sie wirken nicht Machtbesessen und ein reines Winseln aus allgemeiner Todesangst ist es bei Ihnen auch nicht. Seltsam ...“ Er schob sein Gesicht ganz dicht an meines heran. Es wirkte bedrohlich. „Welch’ ein Unsinn, trotz alledem! Was wissen denn Sie!! Was wissen Sie vom Reich der Dunkelheit, von der Angst dessen, den Alle fürchten! Von der Einsamkeit des Untoten zwischen den Toten und denen, die zu leben glauben! Was wissen SIE ? NICHTS!!“ Er stieß mich ein Stück zurück. Abrupt wechselte er das Thema.„Sie müssten in Ewigkeit Blut trinken. Andere Menschen zu ihren Kreaturen machen. Deren Tod in Kauf nehmen. Sie wollen alle diese Grenzen überschreiten, wollen alle Opfer bringen- für Ihre Visionen ?“ Er stand aufrecht da. Und schwieg. Sah mich lange Zeit an. Schwieg weiterhin. Ich wurde zusehends nervöser, begann irgendwann hektisch zu reden und zu erklären, noch immer sah ich eine Chance! Ein Chance für meine Träume, meine Visionen, meinen undeutlich gefühlten Auftrag in der Zeit ...Zog Vergleiche, sagte, dass es ja für Viele die Liebe sei, die ihre Vision darstellt, eine Vision die unendlich viele Namen tragen kann, gleich ob dieser nun Anna, Eva, Berta, Maria, Paula, Renate, oder eben Elisabeta sei ... aber das es eben auch andere, gleich starke, große und wunderbare Visionen geben kann- so wie die meine! ... ich verstummte wieder. Seine Fragen standen nach wie vor im Raum. Kleinlaut und schon fast verzweifelt begann ich dann diesen Teil meines Vortrages. Berichtete das ich darüber natürlich nachgedacht hätte. Sprach von Skrupeln. Von Tierblut, von Blutkonserven, von Selbstbeschränkungen , ...schwieg. Nachdenklich sah Vlad Dracul mich an. Fast sanft befahl er mir: „Stehen Sie auf, Swap. Gut. –Nun hier entlang, ein paar Schritte.“ Ich folgte ihm, wie hypnotisiert, sah nur noch seine Augen, war innerlich wie erstarrt. Schließlich blieben wir stehen. „Drei Dinge, Swap“, sagte Vlad zu mir „Erstens: Deine 5 Minuten sind mehr als um. Zweitens: Du hast mich ein wenig zum Nachdenken gebracht- das schaffen nicht mehr viele. Ich vergelte es Dir. Drittens: es gibt fast immer mehr als eine Möglichkeit. Zeuge Kinder. Lebe Ihnen Deine Visionen vor- so kannst Du sie unsterblich machen! Und nun: Adieu!!“ Nach diesen Worten versetzte er mir einen Stoß vor die Brust und ich fiel. Schlug schmerzhaft an und fiel weiter. Hatte das seltsame Gefühl, mein langer Sturz werde aber irgendwie gelenkt und gemildert. Schlug endgültig auf – und dann: Nichts mehr.
Für lange Zeit. Erst etliche Tage später kam ich in pflegender Obhut wieder zu wirklichem Bewusstsein. Man erklärte mir, ich sei, wohl nach einem Treppensturz, bewusstlos geworden, werde aber keine bleibenden Schäden zurück behalten. Ein bedauerlicher Unfall. Zwar wurde ich gut gepflegt, doch das allgemeine Interesse richtete sich natürlich auf den zwischenzeitlich geschehenen Tod von Lucy Westenra, den überstürzten Aufbruch der Gruppe um Professor van Helsing und ähnliche erschütternde Ereignisse, von denen der Leser gewiss aus anderen Quellen bereits Kunde hat.
Vlad Dracul hatte meine drängende Sehnsucht nicht gestillt. Er hatte mich nicht gebissen, er hatte mein Leben geschont und verstümmelnde Verletzungen verhindert - und er hatte mir Ratschläge erteilt. Freundlich lächelte ich die kluge, umsichtige und ausnehmend hübsche Krankenpflegerin an, die eben meine Kissen aufschüttelte- und sie erwiderte dieses Lächeln auf eine vollständig angenehme und viel versprechende Weise ...!