Geringe Mitnahme – Effekte (Fiktiver Krimi von Burkhard Tomm-Bub) -1- Disclaimer Die hier geschilderten Ereignisse, Orte und Personen sind nicht faktual. Sie heißen nicht so, haben sich nicht so abgespielt, äußerten sich nicht so. Insbesondere sind Personen die "Ansichten" äußern, keinesfalls mit real existierenden Menschen zu identifizieren und entsprechende Zuordnungen können daher gleich in mehrfacher Hinsicht nicht, ich betone: nicht vorgenommen werden. Des Menschen Unterbewusstsein und seine Phantasie sind aber ein wildes, ein buntes und manchmal auch ein gefährliches Land. Da es mir fern lag, freundliche und fleißige Menschen in irgend einer Form zu verärgern, oder zu beleidigen, schien es mir besser, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dies nur ein harmloser, kleiner Krimi ist, der gut und angenehm unterhalten soll. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! Mit freundlichen Grüßen Burkhard Tomm-Bub, M.A. Ludwigshafen am Rhein, 2014 -2- Geringe Mitnahme – Effekte Vor ihm saß eine Mörderin. Zumindest hielt sich Frau Rugova selbst für eine solche, wie sie immer wieder einmal in sich hinein wimmerte. Kommissar Hanneboes selbst war sich hingegen dieser Sache noch gar nicht so sicher. Dies war nur eine erste Vernehmung im Revier, selbst der Tatort wurde zur Stunde noch weiter untersucht. „ … ich, ich habe sie umgebracht, … ich habe sie gemordet … wie konnte ich das nur machen …“, hörte man nun wieder. „Also. Frau Rugova. Nun lassen Sie uns das mal in Ruhe und von Anfang an durchsprechen. Ok?“, bemühte sich Hanneboes mit ruhiger, aber klarer Stimme um etwas Struktur. Die Rugova nickte mehrmals kurz mit halb gesenktem Kopf und niedergeschlagenem Blick. „Sie sind also heute mit dem festen Vorsatz zu ihrer Putzstelle im Business – Hotel Höhn gegangen, Frau Enthess töten zu wollen und sie hatten da auch einen ganz konkreten Grund für diese Tat?“ Überrascht blickte Jozefina Rugova auf und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, dass ja nicht. Sicher ich mochte sie nicht leiden, sie war keine gute Frau, wissen sie, kein guter Mensch, wirklich! Aber ich habe ihr niemals das gesagt – ich bin nur Putzfrau hier, auch wenn es heißt Zimmermädchen und mein Diploma aus dem Balkan, nichts ist es hier wert. .. Ich war so verzweifelt. Und sie hat Sachen zu mir gesagt. Nein …, ich …“. Sie schwieg und hatte offenbar den Faden verloren und begann nun zu weinen. „Hören Sie, Frau Rugova. Wegen Ihrer Kinder. Wir haben gerade noch einmal angerufen in der Klinik.“ Jozefina Rugova sprang auf und beugte sich aufgeregt weit über den Schreibtisch, so dass Hanneboes unwillkürlich etwas zurück wich. „Was ist mit ihnen! Sind sie tot. Leben sie? Sagen Sie doch Kommissar. SAGEN SIE! Ich hätte doch gehen sollen zu ihnen.“ Sie schluchzte. „Sie leben, Frau Rugova, hören sie, sie leben!“, Hanneboes blickte sie fest an. „Und sie könnten jetzt gar nicht zu ihnen, der Zustand … ist noch immer kritisch. Sie sind beide noch auf der Intensiv – Station. Das wird auch mindestens einige Stunden noch so bleiben! Und, hören Sie, Frau Rugova – die Ärzte wollen ihnen keine Versprechungen machen. Aber: es hieß, beide Kinder seien von guter -3- Konstitution, seien kräftig und hätten wohl viel Lebenswillen …!“ Jozefina Rugova sank auf ihren Stuhl zurück. „Ja, darf ich nicht zu ihnen. Hat Arzt auch am Telefon gesagt, als er mich nach dem Unfall angerufen hat, aus der Klinik.“, murmelte sie. Sie schaute hoch zum Kommissar. „Wissen Sie, ich habe gerufen in das Telefon, dass ich sofort kommen werde. Aber der Doktor hat immer wieder gesagt, ich kann es tun, aber ich kann sie nicht sehen und nichts machen und er ruft mich SOFORT an, bei Änderungen!“ Sie senkte den Blick, legte die Hand an die Stirn, so dass diese ihre Augen verdeckten und fuhr mit gepresster Stimme fort. „Ich habe mich auf eine Bank unterwegs gesetzt und viel geweint zuerst, Herr Kommissar. Unser Sohn Ralph ist in einer Realschule und Inge schon im Gymnasium, zweite Stufe. Sie sind tüchtige Kinder und sind freundliche und hilfsbereite. Wir waren so froh, dass sie keinen Krieg erleben mussten, wie mein Mann, der Janez, und ich!“ Sie zog unwillkürlich den Kopf ein, als wolle sie sich ducken. „Und dann – ich war dadurch schon so spät. Ich komme niemals zu spät, nie, außer wenn ich vielleicht SEHR krank gewesen bin. Ich – wollte zumindest hingehen zum Höhn – Hotel, um eine Erklärung zu geben, persönlich. Es ist doch Pflicht und mein kranker Mann, die Kinder müssen doch in Deutschland bleiben, es … also, wir …“. Sie stockte. „Hören Sie, Frau Rugova,“ schlug Hanneboes nun vor, „erzählen Sie mir doch am Besten einmal alles ganz von Anfang an und der Reihe nach. Wie Sie nach Deutschland kamen und wie es dann weiterging, mit dieser Arbeitsstelle und all` das. Dann können wir das in Ruhe anschauen – und ich verstehe es auch alles viel besser. Und das möchte ich doch, Frau Rugova, sehen Sie.“ Er blickte sie freundlich und aufmunternd an. Sie nickte zögernd. „Wie wir daher kamen, es ist nicht viel zu sagen …“, begann sie etwas stockend, „wir flohen vor dem Krieg dort, es war grausam, vor etlichen Jahren. Und wir durften nach Deutschland. Alles war kaputt dort – mein Mann und ich hatten beide eine gute Ausbildung und Studium, mit Diplom. Mein Mann – er war in einem Zimmer, mit anderen Menschen, als eine Granate hineingeworfen wurde. Sein Körper, wissen Sie, er hat allein überlebt, es war ein Wunder, fast ohne Verletzung. Aber er hat immer viel Angst, oft. Seit Jahren, es ist schlimm. Er hat zuhause so gut Deutsch gelernt, wie möglich. Ich auch in einem Kurs, aber wir hatten ja die beiden Kinder auch. Er konnte nicht viel arbeiten, auf Arbeitsstellen, aber er hat sich immer -4- viel um die Kinder gekümmert und alles zuhause. Ich hatte viele Stellen zum Putzen und auch einmal in einer Fabrik. Es ging grad so alles, irgendwie, Herr Kommissar, wissen Sie, aber später, als die Kinder älter waren, in der Realschule und dann im Gymnasium. Es wurde sehr knapp und ich fand auch nicht mehr immer Arbeit. Es war sehr schwierig, sehr schlimm …“. Sie stockte. „Das war wirklich keine einfache Situation für Sie und Ihre Familie,“ ermunterte Hanneboes sie daraufhin, „aber Sie haben es dann irgendwie geschafft, da wieder ein Stück heraus zu kommen, nicht wahr?“ Rugova nickte. „Ja,“, sagte Sie, „wir waren dann ja auch im workcenter und unser casemanager, der Herr Bloch, Thomas Bloch – der hat sich wirklich viel Mühe gegeben, uns zu helfen, zu der Zeit …“ -5- Casemanager Bloch dachte an den eben beendeten Termin mit Frau Rugova zurück. Wieder einmal erfüllte ihn eine stille Wut auf mehr als einen Umstand, der ihm hier allzu oft begegnete. Da dies der letzte Termin vor der Mittagspausenzeit gewesen war, beschloss er, nach einigen weiteren Telefongesprächen, mal nebenan bei seinem Vertretungskollegen Hattich vorbei zu schauen. Tatsächlich hatte auch Hattich jetzt kein Beratungsgespräch mehr und begrüßte ihn mit einem freundlichen: „Guten Tag, Herr Bloch - Du nimmst aber heute auch irgendwie keine entspannte Grundhaltung ein, wie mir scheint?“ Benno Hattich war ein „altes Schlachtross“, ein Original und schon seit Jahrzehnten im Dienst. Ihm konnte so leicht keiner mehr etwas vormachen. „Hm, ja – nicht so ganz, das stimmt wohl. Ich hatte eben wieder einen Termin mit der Frau Rugova, die mit dem Mann, der noch stärker als sie kriegstraumatisiert ist und den beiden Kindern, die auf höhere Schulen gehen …“ „Ah, ja, die soviel putzt und ähnliches, obwohl sie ein Diplom hat, wenn auch aus dem Ausland, richtig? Da sollte die doch wirklich mal mehr daraus machen.“ „Hm, nein – will sie ja nicht,“, erwiderte Bloch „Sie hat doch Angst, dass sie vielleicht doch wieder ausgewiesen werden, alle, wenn sie mal eine Zeit lang gar nichts mehr verdient, wegen der dann notwendigen Anpassungs- und Qualifizierungskurse, und so. Das ist ihr einfach nicht auszureden.“ „Ahjaja,“ meinte nun Hattich „stimmt, ich erinnere mich jetzt auch an die anderen Probleme drum rum. Dumme Sache ... – aber: da gibt es jetzt etwas Neues?“. Bloch holte Luft und presste erbittert die Lippen aufeinander. „Ja,“, sagte er dann, „sie hat nach der letzten Entlassung wegen Arbeitsmangel recht schnell wieder etwas anderes gefunden. Seltsame Abläufe allerdings, die sich da nun abspulen … kann ich die Geschichte kurz von Anfang an erzählen?“ Hattich rückte demonstrativ einige sorgsam in Plastik gehüllte Hefte zur Seite und schaute aufmerksam. Er war Sammler historischer Comix – Hefte und seltener, alter Knöpfe, organisierte sogar Ausstellungen zu diesen Themen zusammen mit seiner Schwester. „Ja, natürlich – gern“, meinte er ehrlich interessiert, „ich bin ganz gespannter Gehörgang!“ Bloch angelte sich einen Stuhl und berichtete. „Danke. Ja, also. Den vorigen Reinigungsjob hatte sie ja dann -6- verloren gehabt, kürzlich. Offiziell wegen Auftragsmangel. Stimmte aber auch nicht wirklich so ganz. Ich habe das mitbekommen, ein anderes Ehepaar war da auch betroffen, das bei mir ist. Die haben auch beide in dem Amüsierbetrieb geputzt, recht großer Laden, waren als Aufstocker bei mir. Jedenfalls ist der Arbeitgeber da auf den Trichter verfallen, die komplette Putzmannschaft raus zu werfen – und den kräftigsten anzubieten, gleich weiter zu arbeiten. Als Scheinselbstständige, zwei Drittel vom Gehalt und Material selbst mitbringen – man könnte sich ja dann an das hilfreiche workcenter wenden, da gäbe es Starthilfen für agile Neugründer und Selbstständige …“ Hattich hob die Augenbrauen ein wenig an und murmelte etwas von „da müssten gewisse Leute doch wirklich endlich mal gewisse Überlegungen anstellen“, unterbrach aber die Erzählung nicht. „Ja, jedenfalls – die, die sich drauf eingelassen haben, waren natürlich nicht daran interessiert, dann selbst viele Andere ein zu stellen – da wäre ja noch einiges von ihrem schmalen Verdienst drauf gegangen. Die schufteten dann lieber selbst mehr. Und so hatte auch Frau Rugova mal wieder nichts … Heute kam sie dann als Eiltermin bei mir vorbei, wg. einer neuen Arbeitsstelle. Soweit, so gut. Sie erzählte mir dann, dass sei vorerst eine Halbtagsstelle als Zimmermädchen. Sechs- bis siebenhundert Netto, im Business – Hotel Höhn. Das habe sie in einer Kleinanzeige gelesen und sogar schon einen Probearbeitstag gemacht, es sei aber ganz legal gewesen, habe man ihr jedenfalls gesagt.“ „Oho“, ließ sich nun Benno Hattich vernehmen, „da wäre sie ja sogar eine CBTG – Arbeitnehmerin, immerhin!“ Bloch grinste, das war mal wieder typisch, dass Benno das auswendig wusste. „Stimmt, das hatte ich dann auch gleich gegoogelt, Höhn gehört tatsächlich den Chemischen Betrieben Transnationale Gewerbe, CBTG, der Firma, von der etliche sagen, dass unsere schöne Stadt Rheinschanzhafen ein nicht völlig unwesentlicher Bestandteil von ihr sei.“ Nun grinsten beide etwas maliziös. „Wie dem auch sei. Ich überlegte gerade, ob ich nicht zum Xten Male auf ihre doch eigentlich viel höhere Qualifikation zu sprechen kommen sollte, da sagt die doch zu mir: Ja, Herr Bloch und ich bräuchte dann unbedingt noch einen so genannten Vermittlungsgutschein von Ihnen. Ich weiß aber auch nicht was das ist, hatte es mir extra aufgeschrieben. Jedenfalls, wenn ich den nicht mitbringe, bekomme ich die Arbeitsstelle nicht, wenn doch, dann aber -7- jedenfalls, haben die mir gesagt!“ Benno Hattich erhob sich, ging zwei Schritte zum Spiegel an der Wand, wandte den Kopf etwas hin und her und inspizierte sein Abbild. Während er sich wieder setze, sprach er: „Herr Bloch, was muss ich da hören und meine Ohren scheinen in Ordnung zu sein … bislang war doch in der Geschichte weder von einem privaten Arbeitsvermittler, noch von einem Vermittlungsvertrag, noch von ähnlichem die Rede? Statt dessen aber von Eigenbemühungen der Kundin, via Inseratstudium. Oder irre ich mich da?“ „Keineswegs,“ erwiderte Bloch sofort, „genauso war es.“ „Ich habe sie dann jedenfalls mal gefragt, ob sie weiß, wie viel so ein Schein überhaupt wert ist. Nämlich 2000,- Euro. Wusste sie natürlich nicht, sie habe ja, wie gesagt, überhaupt keine Ahnung, was das überhaupt sei. Ich frug dann nach dem privaten Arbeitsvermittler. Darauf war sie vorbereitet. Man habe ihr gesagt, dass ich vielleicht danach fragen würde. Und dann drückte sie mir diesen Notizzettel in die Hand …“ Hattich schaute kurz auf den Namen. „Ahaaa. Die gute Frau Kregel aus Lochwies. Den Namen haben wir doch schon immer mal wieder irgendwie gehört.“ „In der Tat. Und ich habe heute sogar höchstpersönlich mit ihr telefoniert. Bzw. sie mit mir. Aber der Reihe nach. Ich habe der Kundin dann mal in aller Ruhe und ganz freundlich erklärt, dass ich ihr einen Vermittlungsgutschein nicht verweigern werde – darf ich ja im Endeffekt auch gar nicht. Dass ich aber zunächst zumindest einen Vermittlungsvertrag bräuchte. Sie wurde dann trotzdem nervös und hatte Angst, dass es dann alles nicht klappt. Ich konnte sie aber beruhigen. Ich nehme an, sie wird nicht erst Montag hingehen, sondern wird bereits jetzt überall bei denen anrufen. Ich denke, wir wissen beide, was dann am Wochenende jetzt noch passieren wird.“ Hattich grinste. „Klar … - die fahren zu ihr raus und halten ihr den Vertrag zum Unterschreiben unter die Nase und geben ihr eine Kopie mit.“ „Denke ich auch. Aber es geht noch weiter. Ich wollte da dann doch noch etwas aktiver mitspielen, bei der Geschichte … zunächst habe ich mal etwas im Netz gesurft. Frau Kregel macht ihrem Namen da alle Ehre. Etliche Angebote verschiedenster Art. Bloß eine Telefonnummer – die fand ich nicht. Na gut. Ich beschloss dann, mal bei dem erlauchten Hotel anzurufen. Da nahm natürlich sofort jemand ab … verwies mich dann aber eiligst und mit spitzen Fingern an den Subunternehmer, der sich um `Zimmermädchen, Reinigung und -8- solche Dinge` im Hotel kümmert. Auch dort versuchte ich mein Glück – und bekam ebenfalls sogleich Auskunft …“ Bloch imitierte nun einen nasalen Tonfall. „Ach ja, wissen Sie – mit dem Arbeitsamt und dem workcenter – da arbeiten wir schon lan - ge nicht mehr direkt zusammen! Das passt ja doch nie, irgendwie. Wir arbeiten aus – schließ – lich noch mit der Firma Kregel aus Lochwies, in dieser Hinsicht!“ „Ich beschloss nun, mir erst einmal alles ein wenig durch den Kopf gehen zu lassen und beendete das Gespräch.“, fuhr Bloch fort. „Doch war mein Erstaunen nicht gering, als nur circa zehn Minuten später mein Telefon klingelte – und Frau Kregel persönlich am Apparat war! Sie fände es ja soo schön, dass sie mich tatsächlich erreiche und auch einmal persönlich mit mir sprechen könne, sie habe ja schon soo viel Gutes über mich gehört, et cetera, pp. Na ja. Jedenfalls täte ihr das ja fuurchtbar leid, mit dem fehlenden Vermittlungsvertrag und sie werde das umgehend in Ordnung bringen. Das habe ausnahmsweise mal nicht sie selbst gemacht, sondern eine Mitarbeiterin , die aber sonst eigentlich auch immer seeehr zuverlässig sei und bla und bla und bla …“ „Na – da sind wir dann mal gespannt auf Montag!“, schloss Benno Hattich das Thema erst einmal ab. -9- Kommissar Hanneboes fasste zusammen, was er bislang gehört hatte. „Sie und ihr Mann, Frau Rugova waren dann also eine ganze Zeitlang im Leistungsbezug beim workcenter, einerseits dann wenn niemand von ihnen Arbeit hatte, zumeist aber auch zwischendurch, als Aufstocker, da ein halbes oder auch ganzes Gehalt im Reinigungsbereich, oder bei ähnlichen Jobs, eigentlich nie ausreichte für ihre vierköpfige Familie. Betreut hat sie während dem der Casemanager Thomas Bloch, mit dem Sie sehr zufrieden waren, obwohl er oft ihren Mann zu einer Behandlung und Sie selbst zu Qualifikationskursen drängen wollte?“ „Ja, Herr Kommissar, bitte glauben Sie mir es. Wir haben nicht gern HETZ V – Geld angenommen!, „erwiderte Jozefina Rugova. „Ich hatte doch immer Angst, das wir der deutschen Regierung zu teuer sind, wenn wir nicht fleißig sind und immer arbeiten etwas. Und ja der Herr Bloch, er war gut, weil er hat uns ernst genommen, er hat auch erst die Atteste angeschaut und Unterlagen, aber er hat geglaubt! Mein Mann hat sehr oft viel Angst, ist er ein großer Mann, ja und sieht stark aus. Aber wenn er ist in einem Zimmer und mehr als ein, zwei Leute dazu – er denkt an die Explosion in unserer Heimat, von der Granate, weil wissen Sie … schwierig auszusagen … alle Menschen außer ihm in dem Zimmer … sie – gingen kaputt, also ganz, … sie verstehen, Herr Kommissar?“ Hanneboes nickte kurz und schnell ansatzweise einige Male, mit doch sehr gequältem Lächeln. „Ja, Frau Rugova, ich denke schon, dass ich Sie da verstehe!“ „Doch weiter … der Herr Bloch schlug mehrfach vor, dass Ihr Mann Janez eine Psychotherapie machen sollte. Was aber unter anderem an seinen mangelnden Sprachkenntnissen scheiterte. Einen geeigneten Sprachkurs zu finden, war aber auch kaum möglich, da Ihr Mann es ja in geschlossenen Räumen nicht lange aushalten kann.“ „Ja,“ bestätigte sie, „er bekommt dann Panik und schwitzt und er zittert und muss nur noch herauslaufen. Aber er hat zuhause gelernt, so gut er konnte und ich in richtigen Sprachkursen und habe geholfen. Die Kinder haben auch sehr gut und viel besser und schneller gelernt. Sie haben einen jungen Kopf und sind auch fleißig und überhaupt nicht dumm. Das alles ging dann eine ganze Zeit alles so weiter.“ „Und dann fanden Sie die Arbeit im Hotel Höhn und bekamen auch den dafür nötigen Vermittlungsgutschein von Ihrem Casemanager, dem Herrn Bloch. So habe ich Sie vorhin verstanden.“ „Ja, es ist richtig so gesagt.“, nickte die Rugova. -10- -11- Es war Dienstag. Bloch hatte am Vortag nicht mehr mit dem Kollegen Hattich sprechen können, doch heute fand sich wieder ein wenig Zeit. „Kommen Sie herein, kommen Sie heran – hier werden Sie exakt genauso bedient, wie nebenan!!“, begrüßte dieser ihn. Thomas Bloch schmunzelte ein wenig, derartiges war er aber mehr oder weniger gewöhnt von seinem Vertretungspartner. Zuweilen jedenfalls. „Es gab Anlass zu Verärgerung?“ vermutete er daher. „Nun ja.“, Hattich klappte einen Aktendeckel auf und wieder zu. „Wieder einmal so ein paar sinnlose Rollenspiele, nach Art des Hauses. Stichwort `Maßnahmenzuweisungen“, koste es, was es wolle. Am Besten bis Vorgestern. Spätestens.“ Er hob indigniert die Augenbrauen. „Na immerhin wissen die meisten meiner Kunden, dass ich hier ja nur der nette Casemanager von nebenan bin. Und dass das Leben ein Geben und Nehmen ist. Und da ist dann ja der eine oder andere durchaus mal so nett, eine dieser Maßnahmen `abzusitzen` egal, wie hochgradig sinnvoll und passend sie vom Inhalt oder der Dauer her erscheint, oder aber eben auch nicht …“ Er blickte seinen Kollegen einen Moment lang ungewohnt ernst an. „Aber eins sage ich Dir, Herr Bloch – das ist doch nun wirklich nichts und gar nichts individuelles mehr, in dem Laden hier -von wegen `passgenaue und individuelle Hilfen` und so weiter!“ Er fing sich wieder etwas und verfiel wieder in einen eher ironischen Tonfall. „Und daher, daher sage ich ja: nur hereinspaziert. Hier bekommt jeder etwas und zwar sofort und augenblicklich! Jeder erhält umgehend einen großen, schlabbrigen DIN – genormten Hamburger mit Verzehrzwang. Egal, ob er den nun bestellt hat, oder auch nicht. Oder ob er etwas ganz anderes bestellt hat. Oder gar nichts. Oder ob er erst mal über die Bestellung reden wollte! Ganz egal – hier wird jeder gleich rasiert. Zack, zack und fertig.“ Benno Hattich hatte sich nun aber endgültig gefangen und blickte einen kurzen Moment konzentriert geradeaus. „Gab es denn nun neues bei Dir, wegen der Frau Rubikon, gestern, Herr Bloch?“ fragte er dann. „Ja, durchaus, sie hat gestern meine Türschwelle wieder überschritten.“, grinste Thomas Bloch und korrigierte dann unauffällig „Also die Frau Rugova.“ „Und in der Tat habe ich nun eine Kopie eines Vermittlungsvertrages zwischen der Frau Jozefina Rugova und der privaten Arbeitsvermittlungsfirma Kregel aus Lochwies bei meinen Akten,“ fuhr er fort. „Bemerkenswert sind dabei aber zwei ärgerliche Dinge …“ Da Benno Hattich weiterhin konzentriert zuhörte, setzte er seinen -12- Bericht fort. „Zum einen sind die Herrschaften mitnichten bei der Familie Rugova vorbei gefahren – sondern haben sie einbestellt. Bei strömendem Regen ohne Auto kein reines Vergnügen, wie die Kundin sagt. Ach ja und Unterzeichnungsort war: Heideltal!“ Hattich neigte seinen Kopf seitlich leicht nach Rechts und wackelte an seinem Ohr, als müsse dort etwas hinaus fallen. „Im schönen Heideltal am Schleckar?“, frug er dann. „Na, so etwas. Errichtete die kregle Frau Kregel denn dort eine neue Filiale ihrer kleinen, aber agilen Firma?“ „Keineswegs!“ entgegnete Bloch und erhob den Zeigefinger in die Luft, „Aber … ein gewisser Subunternehmer. Der unter anderem in einem bestimmten Business – Hotel tätig ist. DER ist dort ansässig …“ „Hm, hm.“ machte Hattich daraufhin, „Da ist mir dann ja doch fast so, als höre ich die Schrittgeräusche einer Nachtigall. Und das recht deutlich.“ „Ja, die höre ich auch trapsen, ganz klar!“, erwiderte Bloch. „Nur nachweisen … - nachweisen wird man da wie immer nichts können.“, fügte er hinzu. „Mitnahme – Effekte – glasklar.“ „Ja, die ganze, unbeweisbare Geschichte stellt sich natürlich so dar: der Subunternehmer gibt ein paar kostenlose oder kostengünstige Kleinanzeigen auf. Kundinnen, die sich melden, werden eingeladen zum Probearbeitstag. Ungeeignete dürfen wieder gehen, alle anderen werden genommen. Zwischendurch lässt man dann – normalerweise – nebenher einen Vermittlungsvertrag mit unterschreiben und schickt die Kandidatinnen dann auch noch mal schnell im workcenter vorbei, den Vermittlungsgutschein abzuholen. Viele aus unserer werten Kollegenschaft erledigen das ja auch sehr zügig, lassen die Kundin gar auf dem Flur warten, während sie den Schein geschwind ausdrucken. Was ja aus verschiedenen Gründen bei den hiesigen Verhältnissen sogar nachvollziehbar ist … Das `Hobby` eines echten Fallmanagements getrauen sich ja nur noch wenige aus zu üben … Nun ja. `Wackelkandidatinnen` werden dann jedenfalls nach sechs Wochen ohne Angabe von Gründen nach Hause, respektive zurück zum workcenter geschickt. Das sichert dann immerhin die erste Prämie. Gute Leute hält man für sechs Monate und schickt sie dann weg. Ebenfalls ohne Begründung – oder mit einer harmlosen, damit es keinen Aufruhr gibt, bei uns, hinsichtlich Sanktionen, etc. Das sichert den Rest der Prämie. Und danach - geht das ganze Spiel von neuem -13- los, mit neuen Kandidatinnen.“ „Allerdings macht das Ganze natürlich so überhaupt keinen Sinn … es sei denn-„. „Genau, es sei denn Subunternehmer und Private Arbeitsvermittlung teilen sich unsere Prämien. Was natürlich nicht so vorgesehen ist, nicht erlaubt und streng verboten ist und überhaupt.“ Hattich grinste zynisch und warf in den Raum: „Herr Bloch, hast Du schon mal drüber nachgedacht, mit den Stunden auf halbtags runter zu gehen? Und dann melden wir nebenberuflich einfach mal eine kleine private Arbeitsvermittlung an? Ich meine: wenig Arbeit – viel Verdienst. Wär` doch mal was anderes!“ Bloch winkte resigniert ab. Dazu waren sie beide nicht skrupellos genug und das wussten sie auch. -14- Norbert Marcel Hanneboes, seines Zeichens Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft für den Bereich Tötungsdelikte, vulgo Kriminalkommissar, setzte sich wieder. „Frau Rugova. Könnten Sie mir nun etwas über den Ablauf erzählen? Was genau geschah denn nun, als Sie dann im Hotel Höhn ankamen?“ Jozefina Rugova senkte etwas den Blick und begann, anfangs noch stockend, ihren Bericht. -15- Das Business – Hotel Höhn lag nicht allzu weit vom zentralen Stadtteil Rheinschanzhafen – Orkheim entfernt, in dem auch der ehemalige Bundespräsident Hartmut Hohl sein großzügiges Einfamilienhaus noch immer bewohnte. So war eine gute ÖPNV – Anbindung in viele Richtungen durchaus gegeben. Jozefina stand auf von der Bank, auf der sie verzweifelt und weinend gesessen hatte. Der Arzt konnte ihr viel erzählen – sie würde NATÜRLICH ins Krankenhaus fahren, um in der Nähe ihrer Kinder zu sein und wenn sie sie zehnmal nicht sehen durfte! Sie musste doch in der Nähe sein, für … für alle Fälle. Sie schluchzte unwillkürlich wieder laut auf und einige verlegen – besorgte Blicke anderer Passanten trafen sie. Angestrengt versuchte sie sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Arbeiten? Arbeiten konnte sie jetzt zwar beim besten Willen nicht – aber ihr Pflichtbewusstsein sagte ihr, dass es wichtig sei, nicht einfach die Leute im Höhn- Hotel anzurufen, sondern lieber persönlich Bescheid zu sagen. Das würde einen weniger schlechten Eindruck machen und so konnte sie auch alles besser erklären, hoffte sie. Ein wirklich großer Umweg war das auch nicht, auf dem Weg ins Krankenhaus. Schnell eilte sie nun weiter und erreichte nur wenige Minuten nach dem regulären Arbeitsbeginn den Dienstboteneingang und dann ihren Einsatzort. Sie eilte schnell an den Zimmern vorbei und suchte nach Frau Manuela Enthess, der „Chefin ihrer Chefin“, der Bereichsleiterin, die direkt bei der CBTG angestellt, zu Beginn jeden Tages eine Kontrollrunde machte. Und dabei wahrhaftig regelmäßig alle Trinkgelder „einsammelte“ die abreisende Gäste hinterlassen hatten. Um den fleißigen Zimmermädchen die Mühe zu ersparen, dass immer extra dem workcenter melden zu müssen, wie sie einmal lachend erklärt hatte. Doch daran dachte Jozefina jetzt nicht. In einem der letzten Zimmer fand sie sie schließlich. „Ah, Frau … Ruzkoffer, nicht wahr? Ich habe sie schon vermisst. Und sie tragen noch nicht einmal ihre Arbeitskleidung, ts! Was ist da los?“, schnappe die Enthess zur Begrüßung. „Rugova. Rugova, Frau Enthess … Es ist etwas geschehen…“, brachte Jozefina hervor. In kurzen Worten erklärte sie, was vorgefallen war. Manuela Enthess überlegte einen kurzen Augenblick. Ruckartig streckte sie dann die Hand aus und drückte Jozefina Rugova die Hand. „Meine Anteilnahme! Tut mir sehr leid, das mit dem Unfall Ihrer Kinder.“, sagte sie kühl und schwieg noch fast eine Sekunde. -16- Doch dann lächelte sie wieder ihr berüchtigtes Lächeln. „Aber wissen Sie, Frau Rukoffer – wir haben da leider ein Problem. Kann man nichts machen. Eine von Ihren Kolleginnen hat regulär frei, eine andere hat sich eben vorhin überraschend krank gemeldet. Sie müssen also da bleiben, für diese Schicht. Das Stockwerk muss pünktlich fertig sein – dafür werden Sie ja dann sicher mit Sorge tragen. Ok?!“ Und wieder dieses eiskalte Lächeln. „Nein, … ich fürchte. Ich kann doch nicht …“, stammelte Jozefina. Nun runzelte die Enthess ihre Stirn und ließ mit kristallklarer Stimme so einiges hören. „Frau Ruzgoffa! Sie können ja doch nicht zu ihren Töchtern. Oder waren es Söhne – hat ihnen der Arzt doch jedenfalls ohnehin gesagt. Sie wissen hier hat sich einiges geändert, seit ich die Aufsicht selbst übernommen habe. Insbesondere beim Controlling! Jetzt halten Sie mich mal nicht länger unnötig auf. Ich erinnere mich schon an Sie. Sie sind doch jetzt etwas länger als sechs Wochen hier … Wissen Sie was. Machen wir`s kurz. Entweder Sie nehmen jetzt Ihre Arbeit endlich auf – oder Sie gehen. Ihre Papiere können Sie sich dann aber Morgen auch abholen. Und Ihrem workcenter müssen wir dann natürlich auch Bescheid geben, wegen der Arbeitsverweigerung. Klar soweit? Also bitte!“ Sie wandte sich ab, in Richtung des Badezimmers, in der sicheren Gewissheit, sich auch hier wieder einmal durchgesetzt zu haben. Jozefina war zwei oder drei Sekunden wie erstarrt. Ihr kranker Mann, die Kinder, der Arbeitsplatz, das workcenter. Die Arbeit verlieren, vom workcenter eine Sanktion, während die Kinder vielleicht starben … Das war zuviel. ALLES war zuviel, VIEL zuviel! Es brach aus ihr heraus. -17- „Du, Herr Bloch?“ „Ja?“ „Ich habe da noch einmal gewisse Überlegungen angestellt. Man hat da ja auch so seine `Agenten`. Und ich habe auch noch mal in einigen älteren Akten von Kundinnen geblättert.“ „Und da gab es interessante Erkenntnisse, nehme ich an.“ „Fürwahr. Also ich schaute da mal nach, wer, wie lange und mit welchem tatsächlichen Lohn bei Höhn schon gearbeitet hat. Präziser gesagt, bei dem Sub, der das dort regelt, „HölscherClean“. Und da sah ich doch Schwarz auf Weiß, dass von sechs- bis siebenhundert Netto nicht wirklich die Rede sein kann. Vierhundertvierzig bis vierhundertsechzig im Schnitt – das kommt schon eher hin. Und es gab darüber hinaus mehrfach Klagen, auch das mit dem „Halbtags“ stimme so nicht. Zwar würde die tatsächliche Arbeit wirklich nicht länger dauern – aber verspätete Gäste dürften KEINESFALLS gestört werden – da müsse man dann halt warten. Irgendwie und irgendwo. Aber natürlich möglichst unsichtbar. Unter sechs Stunden ginge da niemand nach Hause, denn Bummelanten gäbe es IMMER.“ „Na, toll. … Hm. … Anderthalb mal vierhundertsechzig. Macht so circa sechshundertneunzig – wenn ich mich nicht irre.“ „Du irrst nicht, Herr Kollege Bloch. Und das heißt: wer nach sechs Wochen geschasst wird: ist als Präsent des freundlichen workcenters von nebenan zu werten. Denn die erste Prämie beträgt ja immerhin auch eintausend Euro. Und für zwei Flaschen Sekt reicht der Rest auch noch knapp. Selbst im Höhn.“ „Na wunderbar. Es lebe die Förderung! Ich frage mich nur, was die Rugova macht, wenn sie die ersten Lohnzettel sieht. Die bekommt dann doch sicher wieder Paranoia, dass man sie und die Kinder ausweist, wenn sie dem deutschen Staat finanziell zu sehr auf der Tasche liegt.“ „Vielleicht sucht sie sich noch einen zweiten Job, für vierhundert Euro, oder so. Das hat sie tatsächlich schon einmal so gemacht und sogar auch recht lange hinbekommen.“ „Unglaublich. Hm. Am besten dann noch einen Zweitjob über einen anderen `Sub `, und dann aber direkt auf CBTG – Gelände, oder?“ Bloch grinste wider Willen. „Zuzutrauen wäre es ihr. Aber so was schreibt man lieber in keinem Roman – zu unglaubwürdig!“ „Stimmt – da hast Du Recht, Herr Bloch.“, stimmte Benno Hattich zu. „Aber eines geht mir bei der ganzen Chose wirklich auf den Senkel, mit Verlaub! Jedenfalls was die Firmen, Subs und Privat - AV angeht. Diese ungebremste, besinnungslose Mitnahmementalität!“ -18- -19- „Ich verstehe Sie, Frau Rugova,“ sagte Hanneboes, „da sind Sie dann einfach durchgedreht. Das wäre sicher vielen auf die eine oder andere Art so gegangen. Aber was genau sagten und taten Sie denn dann genau? Können Sie mir dazu noch etwas mehr sagen?“ Es war dunkel geworden mittlerweile. Der Kommissar knipste die Schreibtischlampe an, drehte aber den Lampenkopf etwas zur Seite. Niemand wurde geblendet, der Schreibtisch bildete nun aber eine Art Insel des Lichts in einer seltsamen und düsteren Welt. Jozefina saß verkrampft dar, erschüttert, ihre Stimme stockte und brach und sie schwieg eine Zeitlang. „Ich weiß nicht, Herr Hanneboes, Verzeihung, Herr Kommissar, meine ich – ich weiß nicht, ob Sie es mir glauben könnten. Aber. Ich weiß nur noch … Fetzen, sagt man, glaube ich. Einzelteile.“ Er nickte ihr verstehend zu. „Also … ich habe geschrien. Sehr viel und laut, also … Sie müssten wissen: ich schreie nicht, sonst. Seit dem Krieg habe ich nicht geschrien, ich finde es ist – ungehörig. Es ist kein gutes Benehmen, nicht wahr, sehen Sie!“ Sie versuchte sich mit Macht zu konzentrieren, ihre Stirn legte sich in Falten und sie schlug sich mehrfach leicht mit der Faust gegen die Schläfe. „Ich konnte aber nicht mehr anders, obwohl ich wollte. Ich habe geschrien alles was ich jemals gehört habe, an bösen Dingen über sie, die Frau Enthess, glaube ich. Die anderen Frauen, sie tratschten viel und haben viele Lästerungen gemacht in der Pause, Herr Kommissar, aber ich habe meistens nur zugehört, aber das meiste verstanden. Ich bin auf sie zu, ich habe aufgestampft mit dem Fuß, zweimal, glaube ich. Und ich habe geschrien `eiskalte Schlange` und `Scientology – Schlampe` und `Klaubock` wegen dem Trinkgeld wegnehmen, und `grinsende Hexe`, `karrieregeile Intrigantin` und andere, so schlimme Worte. Und natürlich, dass ich doch weg muss, zu meinen Kindern und das ich da doch nichts dafür kann und das! Und mehr … mehr weiß ich nicht, wirklich. Entschuldigung, aber es war so schlimm. Es war dann Blut da. Und erst ein widerliches Geräusch, ich kannte es. Ich bin gerannt. Es war Krieg, ich wollte nur weg. … Ich ... ich war dann wohl …. In der Eingangshalle vom Höhn – Hotel, danach.“ „Ja,“ nickte Hanneboes, „dort stürmten Sie wohl völlig aufgelöst hinein, man bat Sie in ein Hinterzimmer, wo man Ihnen ein Glas Wasser gab -20- und Sie etwas zu beruhigen versuchte. Kurz danach benachrichtige man uns, weil man da dann schon anhand Ihrer Hinweise nach Frau Enthess geschaut hatte …“ Der Kommissar überlegte. Der nächste logische Schritt war nun eigentlich für ihn, die Rugova noch etwas mehr unter Druck zu setzen, exakt zu fragen, ob sie die ehrenwerte Frau Enthess denn nun am Kragen gepackt und mit dem Kopf mal ordentlich vor die Wand geschlagen hatte, et cetera. Danach hatte es nämlich am Tatort ausgesehen und diese Details auch mündlich berichtet zu bekommen, war daher eminent wichtig. Aber er hatte kein gutes Gefühl dabei. „Frau Rugova,“, sagte er also statt dessen, „lassen Sie uns einen Moment lang eine kurze Pause machen. Vielleicht möchten Sie einen Tee oder Kaffee in der Zeit? Ich werde solange in unserer Sache einen Kollegen von mir anrufen.“ Jozefina nickte und nahm das Angebot gern an. -21- „Guten Tag, Herr Kommissar. Burkhart Kallwazz am Apparat. Sie wünschen etwas von uns, zu reichlich später Stunde?“ Hanneboes grinste. „Na komm schon, Burk,“ sprach er ins Telefon, „nun gib mal nicht gleich wieder den kritischen Kommilitonen, hier. So spät ist es ja nun auch wieder noch nicht. Ist Sander da?“ Siegfried Anderstutt, von allen nur „Sander“ genannt, war Leiter der Tatortinspektion, ein Tüftler vor dem Herrn, sowie ein großer Finnland – Fan. „Mhm, ja, Sander – ja, Moment, - ist da …“ Schon hörte man Geräusche im Hintergrund und etwas, dass sich in etwa so anhörte wie „ … welcher Troglodyt stört diesmal …?“. Und kurz darauf lauter: „Ah – der Kommissar geht um. Zumindest fernmeldetechnisch. Guten Abend.“ Hanneboes musste schon wieder grinsen. Sander war wirklich ein Unikat, ein Meister seines Faches, zu gegebenen Anlässen durchaus grob wirkend, dies aber mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. „Ebenfalls einen guten Abend, oder auch: hyvää iltaa, wie es ja manche nennen.“ Norbert Marcel verbeugte sich andeutungsweise in Richtung des Telefons. „Uiuiui.“, ließ es sich daraufhin von Anderstutt vernehmen, „Da will einer was von mir. Anders ließe es sich kaum erklären, dass mir in einer wenigstens halbwegs komplexen und ausdifferenzierten Sprache ein Gruß entboten wird! Na, gut. Ich nehme an, es geht um den Fall im Hotel Höhn?“ „Genau, Sander – habt ihr da schon was interessantes für mich? Wie ich Dich kenne, bestimmt, oder?“, schmeichelte er ein wenig. „Ja, ja, ja – sicherlich, das schon. Ganz fertig sind wir aber noch nicht – und Du weißt selbst, dass nur das formal verwendbar ist, was später auch im offiziellen Bericht steht. Herr Kommissar.“ „Jaa – natürlich!“, machte Hanneboes beschwichtigend. „Aber schon mal ein paar interessante Infos, informell, vorab. Ich hoffe, Du bist so freundlich …“ Es waren nun ein paar undefinierbare und knurrlautähnliche Geräusche zu hören, die aber nicht unfreundlich klangen. „Klar, können wir machen. Also … zu Beginn unserer Untersuchungen hatten wir neben der etwas despektierlichen Lage der Leiche, auch noch diverse andere, zumindest theoretisch erschwerende Faktoren zu berücksichtigen, was uns aber in den meisten Fällen gelang, und zwar durch folgende Maßnahmen …“ Hanneboes schaute ein wenig unglücklich und verzweifelt strikt geradeaus. Sander war ein Ass! Vergaß aber leider gelegentlich, dass -22- dies nicht immer und nicht auf ALLE seiner Zuhörer ebenfalls zutraf – die dann dementsprechend auch recht schnell nicht mehr wirklich sämtlichen Details folgen konnten. Nach einigen Minuten wagte er eine vorsichtige Intervention. „Hm, das ist wirklich faszinierend, Sander – und ich bin froh, dass Du die Probleme damit dann auf diese Art doch noch überwinden konntest! Aber … könnte man es evtl. irgendwie … zusammenfassen?“ Siegfried Anderstutt überlegte anscheinend einen Moment. „Hm, ja doch, das müsste eigentlich gehen … Gut. Also. Unfall!“ „Hm?! Wie meinst Du das denn jetzt?“ „So wie ich es sage, werter Norbert. Meine Kollegen Binwiers, Kallwazz und eben meine Wenigkeit sehen es so, dass da alles darauf hinweist. Weder an der Kleidung, noch am Körper der Toten fanden wir Kampfspuren, auch sonst deutet nichts wirklich auf eine körperliche Auseinandersetzung hin. Dafür aber fanden wir etwas anderes …“. Er machte es spannend und schwieg einen Moment. „Oho!“, machte Hanneboes daraufhin pflichtschuldig. „Ja!“, fuhr Sander daraufhin fort, „ – Wie Dir wahrscheinlich aufgefallen ist, hat ja der Hinterkopf des Opfers äußerst unsanft mit den Wandfliesen des Badezimmers Kontakt aufgenommen. Dieser Aufschlag hat dann aber keineswegs mehr das Denkvermögen erhöht – sondern war höchst mutmaßlich die Todesursache. Bestätigen müssen Dir das aber noch die Kolleginnen von der Gerichtsmedizin, ganz klar.“ Der Kommissar schüttelte leicht den Kopf. Er war schon ein rechter Sarkast, der Siegfried, so ab und an. Dieser fuhr nun fort. „Das ist ja nun alles nichts zwingend besonderes, das weiß ich selbst. Aber: die Höhe des Aufschlagpunktes – die war ungewöhnlich niedrig, fiel uns relativ schnell auf. Das lässt dann mal die Variante sehr unwahrscheinlich aussehen, jemand habe sich bei der guten Frau ans Revers geklammert und dann mal tüchtig deren Kopf gegen die Wand geschleudert. … Natürlich könnte sie aber aus etwas größerer Entfernung heftig nach Hinten umgestoßen worden sein. Völlig ausschließen kann ich das auch bis jetzt noch nicht. Wir fanden aber weder im Brustbereich noch drum herum irgendwelche offensichtlichen Druck- oder Schlagspuren, die das belegen. An dieser Stelle aber,“ ein wenig Stolz schlich sich in Sanders Stimme, „hatte ich dann einen nicht wirklich allzu dummen Gedanken …!“ „Ah, … - ja.“ -23- „Ja, genau! Wir schauten uns aufgrund dessen nämlich den Fußboden und auch die Schuhsohlen des Opfers noch einmal etwas genauer an. Und: fanden auch tatsächlich an einem der Schuhe und auf einem recht kleinen Teil des Bodens eine schmierige Flüssigkeit. Mutmaßlich dieselbe und was es genau ist, wird uns die entsprechenden Abteilung demnächst mitteilen, die Proben davon sind jedenfalls raus. Es gibt natürlich zwei, drei wahrscheinliche Varianten, davon freilich nicht alle überdurchschnittlich appetitlich. Ich werde sie Dir einmal im Einzelnen näher erläutern -“. „Nein, nein. Lass` nur!“, fiel ihm Hanneboes ins Wort, „Es reicht mir völlig, wenn wir das dann später im Bericht präzise drin haben!“. Er räusperte sich, „Ok, … wenn ich das recht verstehe, ist die Frau Enthess demnach rückwärts ausgerutscht und dann sehr unglücklich an die Wand geschlagen, selbiges mit Todesfolge.“ „Grob gesagt ja. Natürlich ist sie möglicherweise hektisch zurück gewichen, weil sie sich erschrak, oder sie hat doch einen leichteren Stupser bekommen … - das ist ja dann mehr Dein Job, das genauer heraus zu finden. Auf jeden Fall ist das dann `ganz dumm gelaufen`, insgesamt. Schnelles Zurückweichen, das Ausrutschen ausgerechnet auf der schmalen Schleimspur, oder was auch immer … Und, ach ja – Du hast es ja auch gesehen: da lagen ja etliche `Silberlinge` drum herum, also Ein- und Zwei – Eurostücke. Die sind ihr wohl runter gefallen, während oder kurz vor dem Sturz, einen kleineren Teil davon hatte sie anfangs in einer Hand gehabt, den Rest in einer Außentasche an der Kleidung. Eventuell sorgte das für zusätzliche Ablenkung … Die endgültige, bekanntermaßen pietätlose Leichenpositionierung hatte dagegen wohl keine besondere Ursache, oder so was. Das war einfach ein unfeiner Zufall. Also, dass eine Hand und der entsprechende Unterarm mehr oder weniger ins WC gerutscht sind, quasi.“ Marcel Hanneboes konnte sich lebhaft vorstellen, dass Sander nun wohl sicherlich einige Mühe hatte, einen „Scherz“ über das Thema „Griff ins Klo“ zu unterdrücken – und so beendete er das Gespräch lieber mit einigen mehrfach wiederholten Dankesworten. -24- Er wandte sich zum Fenster und starrte in die herab gefallene Dunkelheit. In der Ferne ratterte schon jetzt die letzte Straßenbahn über die hässliche Hochstraße in Richtung Nachbarstadt, zu einem anderen Ort, zu einer neuen Station. Es lief so vieles falsch. Man konnte so wenig tun. Aber war man denn wirklich völlig machtlos? Nein. -25- Kommissar Norbert Marcel Hanneboes setzte sich wieder an den Schreibtisch zu Jozefina Rugova und teilte dieser nun sinngemäß mit, was er soeben telefonisch erfahren hatte. Es fiel ihr verständlicherweise schwer, dies alles auf Anhieb zu begreifen und zu verarbeiten, aber sie versuchte andererseits sogleich, sich schnellstmöglich wieder in den Griff zu bekommen. Dann drängte es sie natürlich, sofort ins Krankenhaus zu fahren. Doch Hanneboes hielt sie noch einen Moment zurück. „Frau Rugova – ich habe eben noch ein zweites, kurzes Gespräch geführt. Ihre Kinder – es geht ihnen natürlich nicht gut … - aber doch schon ein wenig besser, als noch vor einigen Stunden! Das ist wirklich erfreulich, denke ich. Und: ich soll Sie von Ihrem Mann grüßen. Er ist im Krankenhaus und wartet dort. Seit einigen Stunden schon, übrigens … Er hat offensichtlich seine verschiedenen Ängste ein Stück weit zur Seite drängen können, bei diesem Notfall.“ Hanneboes lächelte. Und das tat auch Jozefina Rugova. Als sie nun aufstehen wollte, berührte der Kommissar kurz ihren Unterarm, „Einen kurzen Moment noch, bitte, Frau Rugova – zwei kurze Sachen hätte ich da noch schnell!“ „Einmal ist es so, dass ich Sie auffordern muss, die Stadt bis zum offiziellen Abschluss der Ermittlungen nicht zu verlassen, Sie müssten da so lange täglich für uns erreichbar bleiben … - Ich weiß, das ist eine gewisse Einschränkung für Sie …“ Nun lachte Jozefina Rugova sogar kurz auf. „Herr Kommissar! Wo denken Sie hin! Nein – keine zusätzliche Einschränkung ist das für uns. Es gilt schon immer und für unsere ganze Familie – Sie haben vielleicht vergessen, dass wir leider einen Teil HETZ V – Geld beziehen müssen … Da haben wir viele Pflichten und dürfen nichts falsch machen. Und da dürfen wir auch sowieso nur mit Anmeldung und Genehmigung weiter weg fahren, auch als „Aufgestockte“ ist es damit nicht wirklich anders.“ Hanneboes runzelte die Stirn. So rigide hatte er sich diese Dinge eigentlich nicht vorgestellt. … … Sein unbewusstes und nur halb überhaupt eingestandenes Vorurteil von den eher faulen und drückebergerischen HETZ V – Empfängern – das war heute ja ohnehin schon sehr deutlich erschüttert worden. „Ah, ja. … Gut … und dann ist da noch schnell etwas.“ Er wirkte etwas nervös, bemühte sich aber gerade deshalb nun um einen besonders neutralen und sachlichen Tonfall. „Ich wollte Ihnen da nur einen hilfreichen Service anbieten, zur Vereinfachung. Sie haben ja da nun im Moment mehr als genug zu -26- tun. Denke ich mir mal.“ Die Rugova schaute ihn einigermaßen verständnislos an. „Ja, also. Was ich sagen will. Ich hatte da ja vorhin in der Schilderung schon angedeutet, dass da auch allerlei Silbermünzen auf dem Boden herum lagen. Ich gehe davon aus und stelle fest, dass die wohl aus Ihrer Geldbörse gefallen sind, in der Aufregung. Die Münzen kommen in unsere Asservatenkammer und könnten erst später und umständlich wieder zurück beantragt werden. Kurzum: es waren wohl etwa 50,- Euro. Die habe ich hier – und gebe Sie Ihnen sogleich. Sie brauchen die ja. Gerade jetzt. Ich kümmere mich dann später um die Rückerstattung, und so weiter. Ich bin ja ohnehin hier in der Nähe, quasi. Sie verstehen.“ Er schob den zusammen gefalteten Schein über den Schreibtisch auf Jozefina zu und schaute sie fast flehentlich an. Sie überlegte recht lange und auch Hanneboes schwieg. „Wir … haben immer versucht, zu arbeiten für unser Geld,“ antwortete sie dann zögernd, „Wir wollten eigentlich nie etwas so wie ein Almosen ...“ Der Kommissar stand auf, wandte sich halb zur Seite und strich sich mehrfach nervös durchs Haar. „Hören Sie. Frau Rugova!“, redete er dann lebhaft auf sie ein. „Sie sollen das ja jetzt nicht nehmen für einen Einkauf bei Schreilando, oder für Kosmetik von PROREAL, oder so etwas. Denken Sie an Ihre Kinder im Krankenhaus, ihren Mann, ihre Familie. Das ist nur ein kleiner Effekt – ich würde mich freuen, wenn Sie es mitnehmen. Wirklich!“ Jozefina zögerte noch, nahm dann aber den Schein stumm an sich. Hanneboes begleitete sie noch zum Ausgang und bevor sie dann in der nur durch einzelne, trübe Lichter erhellten Dunkelheit verschwand, wandte sie sich noch einmal um. „Sie sind anders. Sie sind ein guter Mann, wissen Sie! Wir werden es vergelten. Irgendwie. Irgendwann!“. -27- Einige Monate später fuhr casemanager Thomas Bloch seinen PC herunter. Eigentlich war noch etwas Zeit bis zum Feierabend. Aber er brauchte jetzt dringend diesen symbolischen Akt, nachdem er die letzte, hochoffizielle Verlautbarung der BAZ (Bundes Arbeits - Zentrale) als newsletter gelesen hatte. Angeblich direkt vom aller obersten Chef, Herrn Jungtumb persönlich verfasst, zumindest aber von ihm unterschrieben. Er dachte an die vergangenen Wochen zurück. Eine aufregende Geschichte war das gewesen, mit der Familie Rugova, aber fast alles war mittlerweile und glücklicherweise wieder in guten Bahnen - auch wenn der Sohn wohl eine Gehbehinderung zurück behalten würde und beide Kinder durch die Geschehnisse auch seelisch noch reichlich mitgenommen waren. Er würde da dran bleiben und zu beraten versuchen, auch wenn ihm die groteske EDV und die dauerhaft lächerlich überhöhten Fallzahlen eigentlich gar keine Zeit für so etwas ließen. „Aber dafür habe ich damals schließlich überhaupt nur zugestimmt, zum Fallmanagement zu wechseln, verdammt noch mal!,“ dachte er bei sich, „Sinnvolle Beratung und Hilfestellung bei besonders schwierigen Lebensverhältnissen – mit dem Ziel eines Nutzens für ALLE beteiligten Parteien!“ Manchmal gab es Erfolge in dieser oder jener Hinsicht. Aber viel, allzu viel lief hier schief, in diesem Laden. Er blickte versonnen auf das Wildblumen – Bild an der Wand und lächelte. Vor Kurzem hatte es ein eigentlich unwahrscheinlicher Zufall möglich gemacht, dem Landesfernsehsender STV (Süd TeleVision) glaubhaft Informationen zuzuspielen über die Praktiken hinsichtlich der „Vermittlungsgutscheine“. Es wurden dann sogar tatsächlich zwei Interviews dazu ausgestrahlt, eins davon gar mit einem Landtagsabgeordneten. Wieder so was, dass man als zu unglaubhaft für einen Roman verwerfen würde, grinste er kurz in sich hinein. Aber so war es halt gewesen, die Gelegenheit war genutzt worden. Ob das etwas mit der newsletter - Verlautbarung des obersten Jungtumb aus Norimberg zu tun hatte? Bloch wusste es nicht. Der Gedanke war schmeichelhaft, sicherlich. Aber letztlich war es auch nicht wichtig. Wichtig wäre, das sich etwas ändert. Nein, nicht etwas: vieles! Im newsletter hatte gestanden: „Wie so oft bedanken wir uns bei allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der BAZ und in den workcentern! Auch im Bereich der Ausgabe und Umsetzung der -28- Vermittlungsgutscheine wurden in den vergangenen zwölf Monaten wieder einmal erfreuliche Steigerungen erzielt, die uns hoffen lassen, die passiven Leistungen auch in Zukunft weiterhin absenken zu können. Dies ist nur durch unser aller gemeinsame Anstrengung möglich und nur so werden wir auch im nächsten Jahr wieder gute Zahlen und im positiven Sinne beeindruckende Statistiken vorlegen können.“ „Komisch – kommen irgendwie gar keine Menschen drin vor, in dem Schrieb …“, war es Bloch spontan durch den Kopf gegangen. Das „Beste“ kam aber dann noch. „Uns ist durchaus bekannt, dass es auch vereinzelt Kritik an diesem Werkzeug gibt. Genaue Prüfungen und Untersuchungen haben aber erwiesen, dass sich das Instrument `Vermittlungsgutschein` in der Arbeitsvermittlung grundsätzlich absolut bewährt hat. Ein seltener Missbrauch ist letztlich bei keinem Instrument völlig ausschließbar und gerade hier gehen wir fest davon aus, dass es sich lediglich um geringe Mitnahme – Effekte handelt.“ „Geringe Mitnahme – Effekte. JAU! Wer`s glaubt …!“, dachte Bloch - und beinahe hätte er es sogar laut gesagt … Vieles musste man hier herunter schlucken, allzu viel blieb einem im Halse stecken. „Die Krätze könnte man kriegen, manchmal“, dachte er etwas unfein, – oder schlimmeres!" -29- Er wandte seinen Stuhl zum Fenster und starrte in die herab gefallene Dunkelheit. In der Ferne ratterte schon jetzt die letzte Straßenbahn über die hässliche Hochstraße in Richtung Nachbarstadt, zu einem anderen Ort, zu einer neuen Station. Es lief so vieles falsch. Man konnte so wenig tun. Aber war man denn wirklich völlig machtlos? Nein. Bloch erhob sich. *** ENDE *** ? -30- 17 + 4 Witze, Sarkasmen und Berichte aus dem Arbeitslosenbereich: 17 (Vermischtes) Was sagt ein arbeitsloser Chemiker zu einem Chemiker, der nach langen Jahren der Arbeitssuche endlich durch das jobcenter eine Stelle gefunden hat? "Einmal Pommes mit Mayo, bitte!" *** Wie viele Physiker braucht man um eine Glühbirne einzuschrauben? Antwort: Einen - aber 400 bewerben sich. *** Projekt - Bewerbungsgespräch im jobcenter: Personalchef: „Warum sollte ich denn Sie als Organisations - Berater anheuern, statt z.b. interne Verbesserungsvorschläge zu sammeln?“ Bewerber: „Weil ich nicht bei Ihrer Institution angestellt bin. Kein intelligentes Wesen tut sich so was an.“ Personalchef: „Nun … ICH arbeite hier.“ Bewerber: „Entschuldigung. Ich versuche, langsamer zu sprechen.“ *** Gehaltsvorstellung: Am Ende des Vorstellungsgesprächs fragt der Verantwortliche den Interessenten: "Und? Was für ein Einstiegsgehalt hatten Sie sich denn so vorgestellt?" "Nun ja," sagt der angehende Vorabeiter, "für Frau und Kind sollte es halt schon halbwegs reichen ...". Der Personalmensch der Zeitarbeitsfirma antwortet: "Mmh, klar. Was würden Sie zusätzlich von 8 Wochen Urlaub mit Urlaubsgeld, einer betrieblichen Altersversorgung zur Aufstockung der Rente und einem Firmenwagen halten?" Dem Arbeitswilligen fällt die Kinnlade herunter. "Hä? Das kann ja nicht Ihr Ernst sein. Sie wollen mich wohl veräppeln?" "Klar", antwortet der Personalleiter, "aber Sie haben ja vorhin damit angefangen!" -31- *** Kunde im Büro des Fallmanagers beim jobcenter. "Hätten Sie denn heute ein passendes Jobangebot für mich?" Der Fallmanager: "Na klar, auf Mallorca, 20 Stunden die Woche, freier Swimmingpool, drei Riesen, jeden Morgen Sektfrühstück". Darauf entgegnete der Kunde etwas verwirrt: "Wie jetzt? Woll`n Sie mich vereimern?" Darauf der Fallmanager: "Schon. Aber hören Sie, Sie haben doch schließlich damit angefangen!" *** Wochenenddienst: der Chef einer Feuerwehrwache kommt - beide Hände tief in den Hosentaschen gesteckt - ganz langsam in den Aufenthaltsraum seiner Männer. Nachdem er sich gesetzt und genüsslich einen Kaffee getrunken hat, sagt er bedächtig: "Macht euch mal ganz langsam und sachte fertig, Jungs - das jobcenter brennt ...". *** Die BA - Zentrale hat seine Spitzenleute auf ein teures Seminar geschickt. Sie sollen lernen, auch in schwierigen Situationen Lösungen zu erarbeiten und rasch und praxisnah zu entscheiden. Am zweiten Tag wird einer Gruppe von Führungskräften die Aufgabe gestellt, die Höhe einer Fahnenstange zu messen. Sie gehen hinaus auf den Rasen, beschaffen sich eine Leiter und ein Bandmaß. Die Leiter ist aber zu kurz. Also holen sie noch einen Tisch, auf den sie die Leiter stellen. Es reicht immer noch nicht. Sie stellen noch einen Stuhl auf den Tisch. Da das alles sehr wackelig ist, fällt der ganze Aufbau immer wieder um. Alle reden gleichzeitig. Jeder hat andere Vorschläge zur Lösung des Problems. Eine Konferenz und Arbeitsgruppen werden vorgeschlagen. Ein Fallmanager der ersten Generation kommt vorbei, sieht sich das Treiben ein paar Minuten lang an. Dann zieht er wortlos die Fahnenstange aus dem Boden, legt sie hin, nimmt das Bandmaß und misst die Stange von einem Ende zum anderen. Er schreibt das Ergebnis auf einen Zettel und drückt ihn zusammen mit dem Bandmaß einem der Führungskräfte in die Hand. Dann geht er wieder seines Weges. Kaum ist er um die Ecke, sagt -32- einer der Top - Kräfte: "Das war ja jetzt wieder typisch alte Fallmanager - Generation! Wir müssen die Höhe der Stange wissen und er sagt uns die Länge! Deshalb lassen wir natürlich solche Leute auch nie in den Vorstand aufsteigen und entfernen sie auch nach und nach aus den jobcentern!" *** Ein Reporter fragt Angela Merkel: "Frau Bundeskanzlerin, was sagten sie doch neulich in Ihrer großen Rede über die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik?" "Ich? Nichts!" "Natürlich, das ist ja klar, ich wollte nur noch mal wissen, wie sie es formuliert hatten." *** Vorstellungsgespräche zur Einstellung eines jobcenter - Mitarbeiters: "An welche Position hätten Sie denn gedacht?" "Geschäftsführer!" "Sind Sie verrückt?" "Nein, ist das Bedingung?" *** Zwei Unternehmer am Panoramafenster mit Blick auf die Fabrik. 1: Das wäre doch nun absoluter Quatsch, Arbeitslose einzustellen, wenn unsere Leute doch bereit sind, so viele Überstunden für kleines Geld zu machen! 2: Hm - und wenn sie sich irgendwann doch weigern? 1 (grinst): Die werden sich hüten! Wozu haben wir denn schließlich diese vielen Arbeitslosen, wenn nicht zur Abschreckung?! *** Der Fallmanager macht eine Mitteilung an den Leistungs - Sachbearbeiter. "Ich wurde informiert, dass der Kunde Herr Altweiß, der Krankheitssimulant, Vorgestern verstorben ist." Leistungssachbearbeiter: "Was?! - Na. Jetzt übertreibt er aber wirklich!" *** -33- "Na,", fragt der eine Fallmanager den anderen auf dem Flur, "wie läuft`s denn so, bei Euch in der Abteilung?". "Tja,", meint der andere. "Falldurchschnitt 385 Fälle, zwei Leute krank, Chef macht Druck wg. Sanktionsquote und 3 Maßnahmen müssen wir befüllen, egal mit wem und wie, bis Ende der Woche ..." "Oho. Also schon viel besser als vorige Woche, Glückwunsch, da kann man ja echt nicht meckern!!" *** Treffen sich zwei Leistungssachbearbeiter vom jobcenter. "Hast Du schon gehört?", berichtet der eine. "Wir bekommen jetzt endlich mehr Personal, eine ganz neue Planstelle wurde eingerichtet." "Oho," machte der andere. "Was für Aufgaben sind denn da zu erfüllen?" "Statistik und Controlling." "Hm. Da haben wird doch aber nun wirklich schon etliche Leute ...". "Ja sicher - und weil das kritisiert wurde, bekommen wir ja die neue Stelle. Ist auch vorläufig befristet auf nur fünf Jahre." "??" "Ja, klar! Die neue Kraft wird etliche Erhebungen und Analysen machen, welche Statistiken wir hier machen und wie diese controlled werden. Die werden dann genauestens ausgewertet und zu verschiedenen Berichten zusammengefasst und überall präsentiert, usw.! Untersuchungs - Ergebnis nach den fünf Jahren soll dann sein, dass wir hier ein gutes und effektives System haben, welches nur in wenigen Punkten geringfügig optimiert werden muss." "Na siehste! Das ist der Beweis! Wir sind halt doch topmodern und werden immer besser!" *** -34- Kommt ein Fallmanager in das Büro seines Kollegen. Dieser ohne aufzusehen: "Guten Tag, setzen Sie sich, wir müssten eine neue Eingliederungsvereinbarung (EGV) unterschreiben, weil die alte abgelaufen ist, die drucke ich Ihnen sofort aus, steht nichts neues oder beunruhigendes drin, wenn Sie gelegentlich einen längeren Gesprächstermin wünschen können Sie mir das aufschreiben, wenn Sie jetzt bitte im Flur warten wollen, ich komme sogleich mit der EGV zu Ihnen, auf Wiedersehen. Nennen Sie mir zuvor aber bitte noch Ihre BG - Nummer." Meint der andere Fallmanager: "Mensch, Frankie, ich bin`s doch nur, der Jürgen! Du hast es aber wirklich voll gefressen, mit den Minimum 98% aktiver EGV`s bis Quartalsende, die wir unbedingt bringen sollen!" *** Sitzen der Papst, der Osterhase, Robin (=der Gehilfe von Batman) und ein qualifizierter Fallmanager Ende 2015 um einen Tisch herum. In der Mitte liegt eine Tafel Schokolade. Wer bekommt sie am Ende? Der Papst! - Alle anderen gibt es ja gar nicht! *** SEX SELLS ... Ein Arbeitsloser kommt nach Hause und sagt zu seiner Frau: "Du Schatz, ich habe eine neue Stellung!" Darauf die Frau: "Ein Arbeitsplatz wäre ja besser. Aber immerhin ... eine unerlaubte Nebentätigkeit wird das ja nicht sein." *** Warum sollten unwillige Arbeitslose einer Frau besser nicht unter den Rock schauen? Sie könnten ja eine offene Stelle entdecken ... *** Einer geht noch! Jobcenter – Kurzwitz: Wird ein Arbeitsloser einer sinnvollen Maßnahme zugewiesen … *** -35- +4 (Radio Eriwan): Frage an Radio Eriwan: "Können die Arbeitsvermittler allen Menschen Arbeitsplätze vermitteln?" Antwort: "Im Prinzip ja, aber haben Sie schon mal Zitronenfalter Zitronen falten sehen?" *** Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass das jobcenter Hamburg allen Arbeitssuchenden im Einzugsgebiet eine Arbeitsstelle vermittelt hat? Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja, jedoch war es nicht das jobcenter Hamburg, sondern das jobcenter in Berlin. Und es war dort nicht das jobcenter, sondern der Fallmanager Max Kreimeier. Und er hat nicht allen eine Arbeitsstelle vermittelt, sondern der Kundin Henrike Hölscher. Und der hat er keine Arbeitsstelle verschafft, sondern sie sanktioniert, weil sie, obwohl Sozialwissenschaftlerin, einen job im Call - Center nicht annehmen wollte. *** Frage an Radio Eriwan: Haben Hartz IV Empfänger_innen und ein Frosch etwas gemeinsam? Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja. Beiden steht das Wasser bis zum Hals - und sie müssen auf die Mücken warten! *** Frage an Radio Eriwan: "Werden konstruktiv - kritische jobcenter - Mitarbeiter_innen belobigt?" Antwort von Radio Eriwan: "Im Prinzip ja, zumeist allerdings mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, Abmahnungen und Suspendierungen." * * * * * * * -36- PERSONEN und Abkürzungen: Manuela Enthess: mutmaßliches Opfer Jozefina Rugova: mutmaßliche Täterin Janez Rugova: Ehemann der mutmaßlichen Täterin (hat PTBS) Inge Rugova: verunglückte Tochter Ralph Rugova: verunglückter Sohn Norbert Marcel Hanneboes: Kommissar Burkhart Kallwazz: Mitarbeiter Tatort – Inspektion Herr Binwiers: weiterer Mitarbeiter Tatort – Inspektion Siegfried „Sander“ Anderstutt: Leiter Tatort – Inspektion Arzt am Telefon: N.N. Thomas Bloch: casemanager (u.a. von Familie Rugova) Benno Hattich: casemanager (sein Kollege und Vertretungspartner) Frau Kregel: Private Arbeitsvermittlerin mit Firmensitz in Lochwies Höhn: Business – Hotel im Besitz der CBTG. CBTG (Chemischen Betriebe -Transnationale Gewerbe): sehr große Firma in Rheinschanzhafen. BAZ: Bundes Arbeits- Zentrale (mit Haupt - Zentrale in Norimberg). Herr Jungtumb: Oberster Chef der BAZ. HETZ V: (ironisch auch "gimme five" genannt) Eine staatliche Transferleistung, die in nur geringer Höhe an beweisbar Bedürftige gezahlt wird und mit vielen Pflichten verbunden ist. Kann fast beliebig und aus vielen Gründen auch immer mal wieder gekürzt werden. STV: Süd TeleVision -eine Landes - Fernsehanstalt. ÖPNV: Öffentlicher Personen Nah Verkehr. Vulgo: Busse und Straßenbahnen. PTBS: eine psychische Erkrankung (ICD-10: F43.1). Rheinschanzhafen: eine mittlere Großstadt im Südosten einer westlichen Republik, bekannt unter anderem aufgrund der Tatsache, dass dort ein ehemaliger Bundespräsident, Herr Hartmut Hohl, ansässig ist. Etwa 42 km nordwestlich liegt auch das schöne Städtchen Heideltal am Schleckar. -37- * * * * * * * Über den Autor Burkhard Tomm-Bub,M.A. wurde1957 in Recklinghausen, NRW als Burkhard Tomm geboren. Er ist gelernter Erzieher, Sozialarbeiter und Magister der Erziehungswissenschaft, mit den Nebenfächern Psychologie und Soziologie. Tomm-Bub ist Mehrfachabhängiger, lebt aber seit Jahrzehnten zufrieden abstinent / clean. Berufliche Erfahrungen machte er in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, als Sozialfachkraft im Sozialamt und mehrere Jahre als Fallmanager in einem jobcenter. Derzeit (Stand 3/2014) arbeitet er "z.b.V." in einer Betreuungsbehörde. Ehrenamtlich war er verschiedentlich im Bereich der Suchtkrankenhilfe tätig. Burkhard Tomm-Bub veröffentlicht nur gelegentlich, aber seit etlichen Jahren, z.b. Glossen, Storys, Lyrik (u.a.im Heyne - Verlag) und zu Sachthemen (im Suchtkrankenbereich). Weitere Interessengebiete sind social media, sowie die VR (Virtual Reality) und hier namentlich die unkommerzielle Verbreitung von Literatur sowie die Förderung gemeinnütziger Aktivitäten in der Welt Second Life (Avatar: BukTom Bloch). Im realen Leben (RL) lebt er in der Pfalz und in Ludwigshafen am Rhein. ******* V.i.S.d.P.: B.Tomm-Bub * 67063 Ludwigshafen * mailto: ogma1@t-online.de -38-